Hendrik fehlen ein bißchen die Worte (zumindest die Adjektive) nach dem Betrachten von Last Life in the Universe
Filme, auf deren Hülle etwas davon steht, dass darin „eine fragile Beziehung im emotionalen Niemandsland des Gegensätzlichen“ oder Ähnliches entwickelt werde, haben bei mir für gewöhnlich keine Chance, insbesondere wenn sie, wie hier, zugleich auch noch „entwaffnend süß“ sein und einen „subtil-komischen Film noir“ darstellen sollen.
Andererseits hätte ich schon einige gute Filme verpasst, wenn ich mich von der offenkundigen Ratlosigkeit der Klappentextautoren hätte abschrecken lassen. Immerhin sind ja auch meine Lieblingsbücher oft von der Art, die (ich weiß es aus eigener Erfahrung) Buchhändler beim Verkaufsgespräch überfordern, weil jede spezielle Faszination nun mal erstmal besonders umschrieben werden will und sich einem kurzen <Nehmen Sie das, das wird gerne genommen> schlicht entzieht. Solchen Allgemeinplätzchen entzieht sich auch die thailändische Produktion Last Life in the Universe.
Der schweigsame Japaner Kenji arbeitet in einer japanischen Bibliothek in Bangkok. Eigentlich möchte er seinem Leben ein Ende setzen, aber irgendwie will ihm das nicht gelingen, weil sich immer wieder das schnöde Leben in die perfekte Inszenierung seines Suizids drängt, z.B. sein extrovertierter Bruder. Dessen Kontakte zur Unterwelt führen denn auch dazu, dass in Kenjis Wohnung auf einmal zwei Leichen liegen.
Dann gibt es da noch die etwas schrille, unberechenbare Thailänderin Noe, die gemeinsam mit ihrer Schwester in einer Animierbar arbeitet. Kenji und Noe lernen einander kennen, als Noe auf einer Brücke, von der sich Kenji gerade stürzen will, versehentlich ihre Schwester überfährt … – ja, die Ratlosigkeit des Klappentextautoren scheint verständlich.
Mit seiner sehr gemächlichen Inszenierung vermeidet Regisseur Pen-ek Ratanaruang erfolgreich jedes vielleicht drohende Abgleiten solcher Handlungsprämissen in trivialen Klamauk. Er gibt seinen Charakteren und Handlungsorten viel Zeit, zunächst einmal für sich selbst zu stehen und lässt sich nicht anstecken von der Furcht vieler Regisseure vor dem Gähnen des ungeduldigstdenkbaren Zuschauers. Er lässt lyrische Phasen der Stille in seinem Film zu, welche die Charaktere vielmehr mehr noch als ihre Worte vertiefen. Wenn der penible Kenji behutsam fasziniert durch Noes großes Haus streift, in dem diese chaotisch haust wie eine vor Jahren allzu plötzlich sich selbst überlassene Pubertierende, oder sich nach einem ihrer Wutausbrüche ergeben und überfahrbereit hinter ihren geparkten Wagen legt, dann fällt es tatsächlich schwer, für den speziellen atmosphärischen Zauber des Filmes die passenden Adjektive zu finden.
„Subtil-komisch“? Durchaus, allerdings auf eine zwischenzeilige Weise, die sich einem nicht aufdrängt und sehr weit entfernt ist von jedweder Art Gelächterkonserve, tatsächlich subtil eben und an manchen Tagen womöglich zu subtil.
„Bittersüß-romantisch“? In all ihrer Besonderheit sind Noe und Kenji in einer Hinsicht doch sehr real: sie sind Herzsuchende und wissen aber gar nicht recht, wonach sie mit den Herzen eigentlich suchen. Da scheint ihre extreme Gegensätzlichkeit schon fast zu bedingen, dass sie einander finden … aber gelingt dies? Nicht ja, nicht nein … und bitter und süß sind als beschreibende Kontraste da genauso gut geeignet wie vieles andere.
„Schwarzhumorig“ und „Film noir“? Kann ich im Grunde nicht beurteilen, denn bzgl. des Zweiteren kenne ich mich mit den Parametern des Film noir und bzgl. des Ersteren mit dem thailändischen Kontext nicht genug aus. Gerade schwarzer Humor, wenn er nicht gerade zum Schlichtmakabren verflacht, erfordert ja – fast mehr noch als jeder andere Humor – eine recht genaue Kenntnis der Betrachtungskonventionen und gesellschaftlichen Thementabus, an denen er sich reibt. Und ob die mir alle ohne weiteres so zugänglich sind wie das Verunglückter-Suizid-Motiv, wage ich zu bezweifeln.
Was den Film insgesamt die meisten Zuschauer kosten wird, ist seine grundsätzlich nur bedingt übersetzbare Zweisprachigkeit. Kenji ist Japaner, Noe Thailänderin, keiner spricht mehr als nur wenige Brocken der Sprache des anderen. Ihre Dialoge sind daher von jener etwas hilflos-entschiedenen Reduzierung auf das Nötigste und Übersetzbare, die das so mit sich bringt: „Du – essen!“. Bei der DVD-Aufbereitung hat man sich entschieden, das Japanische einzudeutschen und das Thailändische nicht. Das hat wiederum dazu geführt, dass man bei der DVD entscheiden muss, entweder die thailändischen Dialoge erraten zu müssen oder aber alles mit deutschen Untertiteln zu schauen – die an den vergleichbaren Stellen mal wieder auf das Irritierendste vom tatsächlich Gesprochenen abweichen. Im Grunde stellt das die rhetorische Dramaturgie des thailändischen Filmes auf den Kopf, denn der ‚Original’zuschauer benötigt umgekehrt für das Japanisch Kenjis und seines Bruders Untertitel und für die Dialoge Noes und ihrer Schwester nicht. Da ist es insgesamt eine Erleichterung, dass es sich um keinen Film handelt, der vor allem von den Dialogen lebt.
Mein Privatfazit: Zum richtigen Zeitpunkt ein sehr schöner Film mit der richtigen Dosis Gewöhnungsbedarf. Man kann ihn – wertungsfrei – nicht als reinen Unterhaltungsfilm ansehen, weil er dafür doch schlicht zu anstrengend ist. Ich glaube auch kaum, dass er für einen absoluten Neuling im fernöstlichen Kino geeignet wäre, insofern bin ich froh, dass mein Einstieg mit anderen Filmen erfolgte und ich zumindest schonmal das Stadium erreicht habe, in der ich mich auf die spezielle Erzählsprache fernöstlicher Filme auch mal erstmal einlassen und womöglich später erst verstehen kann. Last Life In The Universe gefällt mir besser als Yentown und nicht so gut wie Bin-Jip. Für mich ist er vielleicht am ehesten vergleichbar mit I’m A Cyborg, But It’s O.K.; doch, hat mir gefallen. Aber einen Klappentext möchte ich dafür auch nicht schreiben müssen.
Last Life In The Universe ist in schöner Edition erschienen als 2. Teil der Intro Edition Asien bei Rapid Eye Movements.