„Mars-Chroniken“ / „Schatz im All“ – Literaturklassiker als TV-Mehrteiler

Der Futurologische Leser ist dabei, wenn die Literatur vom Orbit aus ein Stück über den Tellerrand blickt. Ab und an entkorkt er dabei Jahrgangs-SF – testet die Nachhaltigkeit des Bouquets wiederveröffentlichter alter Science Fiction-Filme unter dem Motto The Future … revisited!

Hendrik hinterfragt diesmal die Lagerfähigkeit zweier rd. 30 Jahre alter Science Fiction-Fernsehproduktionen, die jeweils frei auf Klassikervorlagen basieren.

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Es ist so eine Sache mit den literaturbasierten TV-Mehrteilern in der Phantastik: Meistens tun sie weh im Auge. Rainer-Werner Fassbenders kürzlich noch einmal ausgestrahltes „Welt am Draht“ (1973) war zwar damals nah an der Quelle und seinerzeit interessant anzusehen, hat aber den Zahn der Zeit nicht gut verkraftet.

Viele jüngere Produktionen scheiterten sogar bereits im Ansatz: „Dune“ (2000) und „Children of Dune“  (2003) erwiesen sich als hochglanzpoliertes Langeweilekonzentrat. „Gormenghast“ (2000) war nicht schlecht gemacht, aber mit seiner sehr speziellen Überzeichnung von Charakteren wohl einfach zu britisch, um überhaupt fürs Deutsche synchronisiert zu werden. „Earthsea“ (2004) basierte im Grunde gar nicht auf der angeblichen Vorlage, es riss sich nur ein paar Brocken heraus, und man hätte auf die Bezugnahme besser gleich ganz verzichtet.

Eigentlich ist das verwunderlich, denn man sollte denken, gerade in diesem Format, das oft insgesamt auf 3-5 Stunden Laufzeit kommt, wäre Raum genug für eine würdige und alle Details einer guten Vorlage berücksichtigenden Visualisierung, für vielschichtige Charakterisierungen, werkgetreue Verarbeitung von Handlungsbögen und so weiter – also eben für genau die Dinge, die bei Kinoproduktionen oft spätestens auf dem Boden des Schneideraums verenden. Die gegenüber Kinofilmen oft viel kleineren Budgets müssten auch kein Hinderungsgrund sein, denn eine wirklich gute und gut erzählte phantastische Geschichte überlebt auch begrenzte Effekte. Warum klappt das also so oft nicht?

Ich hab’s noch nicht rausbekommen. Aber weil man mittlerweile auch viele dieser Produktionen auf DVD bekommt, reizt es mich, auch gelegentlich hier mal nachzusehen, ob mir nicht doch irgendwann eine Perle begegnet. Heute möchte ich die Lagerfähigkeit zweier Literaturverfilmungen verkosten, die im Fernsehen liefen, als ich mich im persönlichen Goldenen Zeitalter der Science Fiction befand, d.h. ich war zwölf.

EINE SCHLECHTE SAISON FÜR DIE ERDE
„Die Mars-Chroniken“, frei nach Ray Bradbury

Ray Bradbury ist ganz ohne Zweifel einer der zeitlos edelsten Erzeugernamen, auf den man im Bereich der Science Fiction-Literatur treffen kann – insbesondere wenn man eigentlich kein Freund von Space Operas und dem oft damit verbundenen Technobabble ist. Ray Bradbury nähert sich der Science Fiction von der Seite des kritischen Poeten her, und das wird nirgends so deutlich wie in dem Episodenroman „Die Mars-Chroniken“, den er noch ziemlich zu Beginn seiner jahrzehntelangen Laufbahn verfasste.

Dem Roman selbst habe ich vor einiger Zeit einen eigenen Beitrag gewidmet, daher verkoste ich nun ausschließlich die vor einiger Zeit wieder neu veröffentlichte dreiteilige TV-Verfilmung von 1979.

Seinerzeit leistete man sich für die filmische Annäherung an den Klassiker zwei namhafte Referenzkönner ihres jeweiligen Faches: als Regisseur wählte man Michael Anderson, der u.a. schon “Logan’s Run“ gedreht hatte, die Drehbuchadaption übernahm – in Zusammenarbeit mit Meister Bradbury selbst – Richard Matheson, der sowohl den Roman „I Am Legend“ als auch das Drehbuch zu dessen Verfilmung mit Charlton Heston verfasst hatte (für mich Steppke war „Der Omega-Mann“ einer meiner ersten SF-Filme).

Aus den 26 teilweise bewusst skizzenhaft gehaltenen Episoden des Romans wurden einige ausgewählt und etwas verändert in drei jeweils anderthalbstündigen Episoden neu zusammengestellt. Hauptunterschied ist im Ergebnis, dass im Film dadurch eine Chronologie der Begegnung des Menschen mit dem Mars entworfen wird, der sich das Buch zum Teil verweigert. Haupt- und verbindende Ankerfigur aller Episoden ist (ebenfalls in Abweichung vom Buch) die Figur des Colonel John Wilder, der zunächst auf der Erde Leiter des Marsprogrammes und irgendwann auch selbst Astronaut und Marspionier ist. Wilder wird gespielt von Rock Hudson – im Deutschen leiht diesem Gert Günther Hoffmann die Stimme, was dem hiesigen SF-Fan das Ankommen in dem Dreiteiler sehr erleichtert, hört er doch da nichts anderes als die wohlvertraute Stimme Captain Kirks. Auch der Offsprecher des halbdokumentarischen Rahmentextes klingt vertraut; es ist Friedrich Schütter und damit – je nach persönlicher TV-Sozialisation des Rezipienten – entweder die Stimme Ben Cartwrights oder Commander Adamas.

Doch worum geht es in „Die Mars-Chroniken“ eigentlich? Die TV-Version erzählt in etwa diese Geschichte: Die ersten bemannten Marsmissionen scheitern alle auf für die Initiatoren auf der Erde rätselhafte Weise. Denn der Mars ist gar nicht der unbewohnte Planet, für den man ihn dort hält – eine uralte humanoide Rasse lebt dort, und sie hat begriffen, dass der Mensch für sie in seiner aggressiven Unbedachtheit eine Bedrohung darstellt. Daher werden die ersten Missionen vernichtet.

Doch die Menschen geben nicht auf, entsenden eine weitere Mission – und die Männer dieser Mission stellen verblüfft fest, dass es auf dem Mars aussieht wie in ihrer Heimat. Nicht nur fast genauso – exakt so wie die Kleinstadt ihrer Jugend – dort ist die Schule, dort der Spielplatz – und da das Elternhaus inklusive der Familie. Wie kann das sein? Es kann nur eine Antwort geben: Telepathie. Die Marsianer verwenden nun die Erinnerungen der Astronauten als ihre Waffe. Und auch von diesen Raumfahrern hört man auf der Erde nichts mehr.

Die folgende Mission – diesmal ist Colonel Wilder mit an Bord – findet keine telepathische Falle vor, sondern eine weite herbe Landschaft mit den Städten der Marsianer darin. Und die Marsianer selbst? Sie sind fast alle gestorben, dahingerafft von harmlosen Krankheitserregern, die von den ersten Astronauten eingeschleppt wurden. Der Mars gehört nun dem Menschen – aber um welchen Preis. Einer der Astronauten erklärt sich plötzlich zum Verteidiger des Mars und der vielleicht noch irgendwo überlebenden Marsianer, und beginnt nun selbst, die Astronauten zu töten.

Irgendwann später leben dann doch viele Siedler auf dem Mars, aber nun kommt es auf der Erde zu einem Atomkrieg. Viele Siedler kehren daraufhin zurück, einige wenige – darunter Wilder mit seiner Familie – bleiben. Was wird nun aus der Menschheit? Die Frage bleibt offen, nur eines ist deutlich: es gibt wieder Marsianer, und sie heißen Timothy und John und Michael und Alice …

Die verschiedenen Episoden, die frei nach der Literaturvorlage gestaltet wurden, sind verbunden vor allem durch die Eigenschaft der urmenschlichen Ambivalenz. Der Priester auf seiner spirituellen Suche nach Gott, der, da er ja überall ist, auch auf dem Mars zu finden sein muss – der eifrige Geschäftsmann, der das ganz große Geld wittert und zuletzt einen zwiespältigen Reichtum erlangt – der Professor, der seine tote Familie künstlich nachgebaut hat, um nicht verrückt zu werden – der schon ein bisschen verrückte einsame letzte Siedler auf der Suche nach einer Gefährtin, der zuletzt auf eine unerwartete Weise sein Glück findet – aber auch der Marsianer, der die Gestalt des totgeglaubten Sohnes einer Siedlerfamilie annimmt: sie alle sind weder eindeutig gut noch böse, und ihre Schicksale sind traurig und zum Lachen zugleich, Figuren, deren Weg man gerne länger als für diesen einen Erzählmoment begleitet hätte. Colonel Wilder bewegt sich als immer wiederkehrende Nebenfigur durch all diese Episoden hindurch und verknüpft sie – so wie ein Träumender Zeuge seiner geträumten Fantasien wird.

Obwohl die Umsetzung optisch keineswegs alterslos gerät (was nirgendwo schmerzhafter deutlich wird als in der Episode des missratenden Rendezvous‘ des einsamen Walter mit dem Mädchen aus dem Kosmetiksalon) und das Effektebudget sichtlich an die engen Grenzen einer TV-Produktion gebunden war, gibt es einige wirklich beeindruckende Szenen und liebevolle Details (die marsianischen Gesichtsmasken z.B. dürften vielen ein wohlerinnertes Requisit früher SF-Guckertage sein).

Nicht alles davon hat die Chance, heute noch jemanden zu beeindrucken, der den Dreiteiler zum erstenmal sieht. Das liegt neben einer – zumindest im Deutschen – zuweilen etwas holprigen Dialogführung u.a. an der schlicht entsetzlichen Musik, die klingt, als habe jemand Alan Parsons‘ Mülleimer durchwühlt. Aber vor allem liegt es an dem Umstand, dass der Roman auf unverfilmbare Weise fragmentarisch und zeitlos die Fantasie anregt, während der Film die Fantasie umzusetzen versucht – was eigentlich stets zu mehr oder minder würdigem Scheitern verurteilt bleibt.

Auf der positiven Seite eignet der Verfilmung eine angenehme und, wie ich finde, erholsame Langsamkeit, die Raum zum Atmen und für eigene Gedanken lässt, statt den Versuch zu unternehmen, atemlose Spannung aus einer Vorlage herauszupressen, deren Faszination völlig andere Wurzeln hat. Das mag sogar 1979 schon ein wenig anachronistisch gewirkt haben (es war schließlich die Zeit von Star Wars, Kampfstern Galactica und Alien), aber es ist trotz allem ein Anachronismus, den man sich mal anschauen kann, dabei im besten Fall neugierig auf das Buch werdend.

Zwar ist damit „Die Mars-Chroniken“ ganz klar eine jener Filmvariationen über Motive einer  berühmten Vorlage, welche nur in Würde zu scheitern vermochte, aber eine sehr positive Eigenschaft hat sie dann doch auch dreißig Jahre später noch: sie verweist auf die Quelle und führt zu ihr hin. Der Wein schmeckt zwar zunehmend wässrig, aber er lässt wenigstens die Klasse der Trauben erahnen.

P.S.: Noch beim Abräumen verrät der Sommelier, Paramount Pictures habe sich kürzlich die Rechte für eine erneute Verfilmung gesichert. Da bin ich mal gespannt.

 

 

„HEIHO, UND ‚NE BUDDEL VOLL GREG!

„Der Schatz im All“, frei nach Robert L. Stevenson

Einen anderen Ansatz verfolgt diese siebenteilige italienisch-deutsche Coproduktion von 1982, die eine literarische Vorlage ins All enthebt, deren Autor sich solcherlei wohl kaum hätte träumen lassen. „Die Schatzinsel“ erschien erstmals 1883 und ist eine so handlungspralle Abenteuergeschichte, wie sie sich ein(e) lesewütige(r) Heranwachsende(r) seinerzeit nur wünschen konnte. Ein Junge wird Teil einer wilden Jagd nach einem sagenhaften Piratenschatz – und etwa 100 Jahre später verlegte man diesen Kerngedanken kurzerhand ins gerade ziemlich leinwandpopuläre Weltall.

Man leistete sich einige auch heute noch bekannte Schauspieler – allen voran den damals schon legendären Anthony Quinn – sowie für Fernsehverhältnisse recht ambitionierte Requisiten, und dann kopierte man kurzerhand die komplette Handlung vom Segel- ins Raumschiff und von der tropischen Insel auf einen fernen Planeten.

Stevensons Roman lebte, als ich ihn seinerzeit las, von der Identifikationsfigur des jungen Jimmy und der völligen Unberechenbarkeit des Long John Silver, der nicht umsonst eine der bekannteren literarischen Figuren der Piratenliteratur geblieben ist. Das erstere Element funktioniert für mich heute natürlich per se nur noch sehr bedingt (zumal der Filmjimmy 12 ist, während der Buchjimmy meiner Erinnerung nach wenigstens 16 war), während das zweitere Element aufgrund der Verkörperung Silvers durch den sehr charismatischen Anthony Quinn einen der ganz klaren Pluspunkte der Verfilmung darstellt. Bei den beiden anderen auf dem Cover hauptsächlich beworbenen Stars handelt es sich um Klaus Löwitsch und Ernest Borgnine. Während der mir stets sehr unsympathische Löwitsch angemessen schwarzledrig den knurrigen Kapitän Smolett gibt, wird der mir stets sympathische Ernest Borgnine in der Rolle des Billy Bones verheizt, der zwar die Handlung erst ins Rollen bringt, aber auch recht schnell stirbt. Die anderen Darsteller sind kaum bemerkenswert, und insbesondere die sich als Piratentrupp entpuppende Mannschaft des Raumschiffs zeichnet sich eher durch unrasierte Penetranz aus als wirklich durch nachspürbare Bedrohlichkeit.

Die damals offenbar sehr gelobte Filmarchitektur lässt heute nur noch müde lächeln – zumal sie voller Fehler steckt, die 1982 auch im Rahmen eines TV-Serienbudgets schon peinlich waren und erkennen lassen, dass hier vielleicht routinierte Filmemacher am Werk waren, dies aber auf ihnen offenkundig recht unvertrautem Terrain: So verwendete man für die Außenaufnahmen von der „Hispaniola“ – ja, so heißt auch das Raumschiff – verschiedenste Modelle, die einander nicht einmal ansatzweise ähnlich sehen; Raumschiff ist Raumschiff, mag sich da wohl einer gedacht haben, der sich doch vielleicht eher mit Segelbooten auskannte.

Überhaupt besteht aus heutiger Betrachtersicht der größte Reiz darin, die – meist erfrischend drolligen – Versuche nachzuvollziehen, das requisitäre Drumrum eines Piratenromans ins Raumfahrende zu übersetzen. Der Rum heißt dann eben einfach Greg und wird in Pillen dosiert, Silvers Holzbein wird zum Plastikbein (mit Gregreservoir), und mit ebenso beherzter Unverfrorenheit wurden andere Elemente unverändert belassen: die Kiste mit dem Goldschatz bleibt eine Kiste mit einem Goldschatz, Silvers Kakadu bleibt ein Kakadu, und die Piraten bleiben in den Klamotten, die eigentlich eher ins 18. Jahrhundert passen und laufen damit in den weißen Raumschiffkorridoren herum.

Leider versandet der anfängliche Schwung solcher Frechheit mehr und mehr in der mit gehöriger dramaturgischer Unwucht taumelnden Gemächlichkeit der Inszenierung.

Es ist daher vor allem dieses Element, das „Der Schatz im All“ zuletzt als das enttarnt, was es ist: nämlich als eine Produktion für das Nachmittagsprogramm, die eine mitreißende, aber alte Geschichte durch Anreicherung mit erfolgverheißenden Requisiten zu aktualisieren versucht.  Eine eigenständige futuristische Vision ergibt sich daraus nicht, und das ist offenkundig auch gar nicht angestrebt: im Grunde ist der „Der Schatz im All“ damit überhaupt keine SF, sondern es ist eine triviale, mittelmäßig umgesetzte, überbetont kindgerecht gehaltene Abenteuerfantasie mit einigen futuristisch angepinselten Sperrholzapplikationen. Und mit der Vorlage hat es im Grunde bis auf den zurechtgehauenen Haupthandlungsstrang sehr rasch nur noch so wenig zu tun wie ein Floß mit dem Baum, aus dem es entstand.

Als Klassiker kann dieser Siebenteiler damit wohl nur für jene gelten, welche große Quinnverehrer sind oder womöglich einfach eine persönliche nostalgische Anbindung an die Produktion haben – gegen welchletzteres absolut nichts zu sagen ist, mir geht das u.a. mit „Catweazle“ so. Ansonsten ist es einfach nur ein zunehmend verstaubendes Fläschchen filmischer Almdudler.

Ich fürchte, ich bin der Lösung meines Rätsels damit noch nicht nähergekommen, habe lediglich zwei weitere Male am Schluss gedacht: Schade drum, in der Zeit hätte ich das Buch nochmal lesen können (und im Falle von Mehrteilern reicht die Zeit sogar aus, das ganz zu schaffen). Fast bin ich also daher nachträglich erleichtert, dass vor Jahren der Plan, einen meiner ewigen Lieblings-SF-Romane „The Left Hand of Darkness“ von Ursula K. LeGuin ebenfalls in einen TV-Mehrteiler zu packen, gescheitert ist. Aber ich bin und bleibe gerne bereit, mich irgendwann davon überzeugen zu lassen, dass es doch geht. Hat jemand eine Empfehlung?

 

EINIGE KURZE NACHSÄTZE IN EIGENER SACHE: Mit einem dankbaren Verehrertränchen im Auge verbeuge ich mich an dieser Stelle vor einem der Ganz Großen, der uns verlassen hat: Ray Bradbury verstarb jüngst im Alter von 91 Jahren. Man kann ohne Übertreibung behaupten, ohne ihn und seine Schreibmaschine wäre unser Sonnensystem nicht ganz das Gleiche. Mögest Du auf immer den Löwenzahnwein eines fernen Raketensommers genießen. Und auch von Ernest Borgnine mussten wir uns kürzlich verabschieden – sein Auftritt im hier Besprochenen ist nur kurz, dafür währte sein Auftritt auf diesem Planeten angenehm lange, immerhin wurde Borgnine 95. Auch Dir: eine gute Reise!

 

Text und Podcast stehen unter einer Creative Commons-Lizenz. Quelle: Hendrik Schulthe/SchönerDenken

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