Endstation Remake: Alle aussteigen!

Die üblichen Verdächtigen waren in „Die Entführung der Pelham 123“ und finden, dass der Film nicht völlig entgleist ist:

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(c) Sony 2009Ein Tonyscott ist ein Tonyscott ist ein Tonyscott. Er hat einen bestimmten Stil und man kann ihm wirklich nicht vorwerfen, er würde sich nicht treu bleiben. Sehr professionelle, oft sehr schöne Bilder, alles in die jeweils richtigen Farbtöne getaucht, eine Kamera, die gerne ruckeldiwackel ganz nah an der Action ist, Schnitte nach dem Motto, lieber 100 zuviel als einer zu wenig. Dazu zwei ausgebuffte Profis in den Hauptrollen: John Travolta spielt den gefährlichen, männlichen, intelligenten und charmanten Bösewicht, der über Leichen geht, mit unübersehbarer Routine und deutlicher Unterforderung. Denzel Washington als Gutmensch mit menschlichen Schwächen, der letztlich tut, was getan werden muss. Auch er unterfordert.

(c) Sony 2009Gut unterhalten folgt man der solide erzählten, spannenden Geschichte. Schwachpunkt: die Charaktere bleiben blass – die Dialoge sind berechenbar und blutleer. Höhepunkt: Wenn der Bösewicht von einer Islandreise mit einem „Arsch“-Modell erzählt. Tiefpunkt: Wenn der Gutmensch mit seiner Frau verhandelt, wieviel Milch er mit bringt. Das ist schmerzhaft gewollt und nicht gekonnt.

Leider etwas verschwommen sind meine Erinnerungen an das Original von 1974. Ein Unterhändler mit wenig, aber dafür staubtrockenem Humor (Walther Matthau) und ein bedrohlicher Bösewicht, der alles unter Kontrolle zu haben scheint (Robert Shaw). Großartig definitiv im Original: die coole und treibende Musik von David Shire. Ob der 74er-Film tatsächlich so charmant ist, wie ich zu meinen glaube, werde ich demnächst auf einer DVD überprüfen können. Eine DVD der neuen Fassung wird allerdings nicht den Weg in mein Regal finden.

So sah das Original 1974 aus:

35 Jahre später:

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Oliver Naujoks, der Pate der Filmvergleiche, hat sich die beiden angeschaut und gibt dem Original 9 von 10 Punkten, Tony Scotts Remake bekommt nur 5 Punkte und eine Abfuhr:

„Ein pseudo-chic auf Hochglanz poliertes, mit Tony Scotts patentiert nervigen Kamerazooms und -schwenks (diesmal inspiriert von Google Earth) versehens, kraftmeierisches und seelenloses Produkt mit unnötig geistlosem und schlechtem Drehbuch“

Florian Lieb urteilt zurecht:

„Somit ist Tony Scotts Interpretation eines gelungenen siebziger Jahre Thrillers mit zwei exzellenten Hauptdarstellern schließlich nichts als ein hektisch abgespulter Analogieversuch zweier Männer, die einander offensichtlich ähnlich sind und dann aber doch wieder nicht. Dies weiß weit weniger spannend zu sein als die Streitigkeiten seiner Zeit zwischen Mr. Blue und Mr. Grey oder die Ermittlungen von Garber hinsichtlich der Täter des Raubüberfalls.“

Carsten Baumgardt sagt es kurz und knapp:

„Scotts Neuversion ist handwerklich bestechend, schafft es inhaltlich und atmosphärisch jedoch nicht, dem Original das Wasser zu reichen.“ Über das Original mit dem schönen deutschen Titel „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123“ sagt er: „Der Reißer ist ein eindeutiges Kind seiner Zeit, funktioniert aber trotzdem als zeitloser Thriller, weil kaum ein anderer Genrefilm dermaßen straff und dicht inszeniert ist.“

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