Während der Eisheiligen folgen wir einer Polarexpedition, denn PJ liest (aus gegebenem Anlaß): M. Morrell / S. Capparell: „Shackletons Führungskunst – Was Manager von dem großen Polarforscher lernen können.“
„Männer für gefährliche Reise gesucht. Geringer Lohn, bittere Kälte, monatelange völlige Dunkelheit, ständige Gefahr. Sichere Heimkehr zweifelhaft. Ehre und Ruhm im Erfolgsfalle.“
Mit dieser Anzeige warb angeblich der Polarforscher Sir Ernst Shackleton 1913 die Mitglieder seiner legendären Polarexpedition in die Antarktis an. Um es gleich zu sagen: Das Ziel, zum Südpol zu gelangen, erreichte die Gruppe nicht. Ihr Schiff blieb im Packeis hängen, musste aufgegeben wurden und wurde vom Eis zermalmt.
Aber Shackleton scheiterte glorreich, denn es gelang ihm, alle 27 Mann seiner Gruppe aus dieser ausweglosen Situation heil heraus zu bringen. In dem fast zweijährigen Überlebenskampf blieben die Männer körperlich gesund und vor allem psychisch stabil – ein Verdienst, das sich nur wenige Polarforscher zugute halten können. So war ein gutes Jahrzehnt zuvor die Expedition Robert F. Scotts gescheitert, mit mehreren Toten, die Überlebenden von der Skorbut ausgezehrt, verbunden mit einer unerträglichen Atmosphäre zwischen den Männern.
Wieso konnte Shackleton seinen Männern stets das Gefühl vermitteln, dass die Gefahr trotz ihrer lebensbedrohenden Dimension zu bewältigen sei und wie konnte er sie in objektiv verzweifelter Lage „bei der Stange halten“? Die Autorinnen zeigen entlang der Stationen der Erkundungsfahrt, dass es von Anfang an der Führungsstil Shackletons und seine Auswahlkriterien für die Teilnehmer waren, die entscheidend zum (Rettungs-)Erfolg der Mission beitrugen.
Aktuell ist Kapital 5 zu empfehlen „Wirksame Führung in der Krise.“ Nicht am Erfolg zweifeln, alle zum Optimismus inspirieren, sie dazu bringen, die Vergangenheit loszulassen und sich auf die Zukunft zu konzentrieren; und manchmal zeigt sich gekonnte Führung daran, dass der Boss nichts tut.
Nach fast 100 Jahren gilt das, was Shackleton 1914 vorexerziert hat, immer noch – nicht die vermeintlich objektiven Kriterien, dürre Zahlen oder akademische Grade. Das wird durch aktuelle Beispiele aus dem modernen Leben illustriert. Der Blick für die menschlichen Qualitäten, auch die Fehler einzelner, die richtige Mischung herzustellen aus fachlicher Qualifikation und individuellen Charaktereigenschaften – das macht den effizienten Führungsstil aus. Während der Reise war Shackleton stets präsent, hatte immer ein offenes Ohr, immer gute Ideen, scherzte und organisierte Unterhaltung an Bord, zeigte aber auch klar die Richtlinien auf und untermauerte dies durch sinnvolle Routine. Ein Musterbeispiel für Führungskräfte.
Dabei liest sich das Buch nicht wie ein trockenes Lehrbuch für Manager. Es ist die Lebensgeschichte Sir Ernest Shackletons, die zeigt, wie er allmählich seine Führungsqualitäten entwickelte, wie er aus Fehlern lernte und so schließlich seine ultimative Crew zusammenstellen konnte. Nebenbei schaffte er es, in schwierigen Zeiten am Vorabend des 1. Weltkrieges Geldgeber für die Polarforschung zu begeistern – ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die überlebensnotwendige Qualität der Ausrüstung.
Im übrigen wird deutlich, dass ein Führungskünstler wie Shackleton nicht auf persönlichen materiellem Gewinn aus ist, ihm ging es um die Sache und in der existenziellen Krise um das Überleben seiner Männer. Ein Ziel, das er schließlich voll und ganz erreichte. Auch wenn er den Südpol um 97 Meilen verpasste. Auch wenn die eingangs zitierte Anzeige für diese Expedition wahrscheinlich von einem Witzbold erfunden wurde – Shackleton hatte rund 500 Bewerbungen erhalten …
M. Morrell / S. Capparell:
Shackletons Führungskunst – Was Manager von dem großen Polarforscher lernen können.
ISBN 978-3499615481
320 Seiten, 9,95 Euro