Pauschalthemen, Jokerthemen, Chloroformthemen: SMALLTALK

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Folge 763
PJ liest: Alexander von Schönburgs SMALLTALK – DIE KUNST DES STILVOLLEN MITREDENS“]
Länge: 08:14


Stöhn – noch ein Ratgeber! Das ist richtig, von Schönburg will helfen, aber er tut dies auf seine Art. Der adelige Sproß, der als Journalist seine Brötchen verdienen muß, stellt nicht einfach Regeln für den gelungenen Party-Plausch auf, er schafft in seinem Buch das, was stilvoller Smalltalk erreichen will: Interessante Themen anreissen, den Zuhörer (also in diesem Fall den Leser) fesseln, Informationen mit leichter Hand liefern, aber ohne dabei mit dem besserwisserischen Zeigefinger vor der Nase herumzufuchteln.

Der Bruder von Gloria von Thurn und Taxis hat den unschlagbaren Vorteil, von Kindheit an in den sogenannten besseren Kreisen zu verkehren und kann somit einige sehr persönliche Anekdoten aus der Welt der Reichen und Schönen zum Besten geben. Ein wenig „name-dropping“ sei ihm verziehen.

Während in anderen Ländern das zweckfreie Plaudern hohen Ruf geniesst, scheint – so der Autor – in Deutschland der Unterschied zwischen Podiumsdiskussion und Smalltalk nicht bekannt zu sein. Dabei sollten wir es mit Oscar Wilde halten: „Ich liebe es, über nichts zu reden. Das ist das Einzige, wovon ich etwas verstehe.“

Für die Wahl des passenden Themas unterteilt von Schönburg sein Buch in drei Bereiche:

  • Pauschalthemen (da muß man mitreden können)
  • Jokerthemen (sie lenken ab und verschaffen Zeit)
  • Chloroformthemen (sie lullen das Gegenüber ein)

Doch wie kommt man leichtfüssig, mit dem richtigen Tonfall ins Gespräch?

 

„Fragen Sie nie ‚Waren Sie schon in Urlaub?‘ oder ‚Was machen Sie beruflich?‘. Das ist an Spießigkeit nicht zu übertreffen …
Unbedingt zu meidende erste Sätze sind außerdem: Welches Sternzeichen sind Sie? Wann kommt denn Ihr Baby? Entschuldigen Sie, hatten wir schon einmal Geschlechtsverkehr? Kann man eine Geschlechtsumwandlung rückgängig machen?
Sonst ist fast alles erlaubt. Es kommt nur auf die Haltung an.“

 

Nun springen wir ans Ende des Buches. Dort hat Alexander von Schönburg für alle, die wenig Zeit haben, aufgelistet, was geht und was nicht geht: Themen, die man umschiffen sollte, Irrtümer, die auf Parties in Umlauf gebracht wurden, worüber man sich beschweren darf und worüber nicht, usw. Unter anderem einige brauchbare Gesprächsouvertüren. Besonders gefielen mir diese beiden:

 

„Wer ist Ihr Lieblingsphilosoph (Im Gespräch mit Modeleuten.)
Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, daß Sie außergewöhnlich sind? (Im Gespräch mit Egomanen. Ist ein Gehimtipp, funktioniert immer.)

 

Davor breitet von Schönburg auf rund 280 Seiten die ganze Palette möglicher Themen aus, von denen man eine gewisse Ahnung haben sollte, wenn man auf einer Party nicht schlagartig im Abseits stehen möchte. Hier eine stichwortartige Liste: Zu den Pauschalthemen zählt er „Essen, Fußball, Promis, Witze, etc.“ Zu den Jokerthemen „Adel, Buddhismus, Jagd, Pferderennen, etc.“ und chloroformieren will er seine Gesprächspartner mit Smalltalk über „Fernsehserien, Hunde, Skifahren und Steuermoral“.

Während ich mich durch diese Kapitel las, ertappte ich mich immer wieder bei dem Gedanken „Das ist aber interessant“ oder schlichtweg bei dem Gefühl, bestens unterhalten, ja sogar fundiert informiert zu werden. Denn von Schönburg kommt vom leichten Plauderton unbemerkt auf die Informationsschiene und schon dampft der Zug im Expresstempo in die Welt der harten Fakten, die der Autor während seiner journalistischen Arbeit recherchiert hat. Beispiel: Das Jokerthema „Zigeuner“, das er im Auftrag seines Arbeitgebers, der BILD-Zeitung, anging.

 

„Allein schon die Verwendung des Wortes ‚Zigeuner‘ garantiert Ihnen in kultivierten Kreisen empörte Reaktionen, von Stirnrunzeln bis hin zu Tritten ans Schienbein.Wenn man aber gut gerüstet ist, kann man den Diskurs furchtlos auf sich nehmen und anschließend triumphierend, mit bewundernden Blicken im Rücken, zum warmen Buffet schreiten. Dafür muß man zunächst wissen, daß es ignorant und beleidigend ist, das Z-Wort durch ‚Sinti und Roma‘ zu ersetzen. Weil man damit die Lalleri, die Kalé und die Xoraxane, um nur drei von vielen tsiganen Volksstämmen zu nennen, ausschließt. Und weil die meisten seit Generationen in Deutschland angepasst lebenden Sinti nur ungern mit den südosteuropäischen Roma … in einem Atemzug genannt werden.“

 

Sieh mal einer an, dachte ich und ließ mich von dem nun folgenden Recherchebericht über ein Zigeuner-Ghetto im Süden von Bukarest fesseln. Aber bitte, bitte – den Zeigefinger unten lassen. Keine Besserwisserei!

 

„Zwei Dinge sind unter allen Umständen zu vermeiden: Klugscheißerei. Und Moralscheißerei. Beides sind absolute Konversationskiller. Smalltalk ist ein Spiel. Es lebt vom Hin und Her. Alles, was man sagt, muss Raum für Gegenrede bieten.“

 

Und vor allem – keine Witze erzählen! Denn Witz und Humor sind bekanntlich was völlig Unterschiedliches. Und Witze entstehen dann, wenn es ein Problem gibt, meint von Schönburg. Deshalb seien jüdische Witze die besten, da dieses Volk immer wieder vertrieben und gequält wurde. Aber jüdische Witze sollten dann auch nur Juden erzählen und somit – quod erat demonstrandum – sollten andere es bleiben lassen. Dennoch eine Kostprobe:

 

„In der Synagoge hängt eine Tafel, auf der steht: ‚Die Frau seines Nächsten zu begehren, ist ebenso verboten, wie in der Synagoge unaufmerksam zu sein.‘ Darunter hat einer gekritzelt: ‚Beides versucht, kein Vergleich!'“

 

Obwohl von Schönburgs Buch unter dem Etikett „Ratgeber“ läuft, besteht er zum Schluß darauf, daß man nun keinen Ratgeber mehr benötigt – wenn, ja wenn man weiß, daß Lebenshilfebücher ein Geheimnis dem Leser vorenthalten: Man muß sich nicht ändern, man muß zu sich stehen, sich so nehmen, wie man ist. Nur dann habe man eine Chance, sich zu ändern. Denn die angemehmsten Menschen seien die, die mit sich selbst im Reinen sind. Denn die – und das ist mein Fazit – können nicht nur reden, sondern auch zuhören.

„Smalltalk“ habe ich mit Genuss und mit Gewinn gelesen.

Zum Schluß noch ein wenig Smalltalk:

„… die Kaufhauserbin Betsy Bloomingdale. Bei einem Dinner in Los Angeles wurde sie neben Klaus Maria Brandauer platziert. ‚Mephisto“, mit ihm in der Hauptrolle, hatte gerade den Oscar als bester ausländischer Film gewonnen. Betsy sagte zu ihm: ‚Bei Ihrem Aussehen könnten Sie hier in Hollywood Karriere machen.‘ Er: ‚Mit Verlaub, mein Name ist Klaus Maria Brandauer!‘ Sie: ‚Das macht gar nichts. Den Namen kann man ändern.'“

 

Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: PJ Klein/SchönerDenken (Direkter Download der Episode über rechte Maustaste) 

Alexander von Schönburg
Smalltalk – Die Kunst des stilvollen Mitredens
Rowohlt, 320 Seiten, 16,- Euro
ISBN 978-3-87134-787-0


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