Die Begriffe „schonungslos“ und „realistisch“ werden in Krimi-Würdigungen inflationär eingesetzt. Sie sollten aufgespart werden für Georg M. Oswalds Roman „Unter Feinden“: Zwei Polizisten in München – sie kennen sich schon viel zu lange, einer drogensüchtig, der andere nicht konsequent genug. Sie machen einen Fehler, dann einen größeren und lösen eine Kettenreaktion aus, die München für Tage ins Chaos stürzt.
Oswald kommt mit wenigen Klischees aus. Er erzählt seinen spannenden Plot ohne jede Attitüde, er beschönigt nichts, weder das banale Leben des Polizisten Diller noch den mörderischen Selbstbetrug des Junkies Kessler. Die Gewissheit, dass gleich alles noch schlimmer werden wird, macht den düsteren Sog des Romans aus:
„Bevor er Kessels Nummer tippte, fragte er sich, ob irgendjemand irgendeinen belastenden Schluss daraus würde ziehen können, dass er Kessel jetzt anrief. Fuck you all, dachte er. Es war sowieso längst alles hinüber. Alles, was er noch tun konnte, war, ein bisschen zu zappeln, sich ein bisschen zu wehren. Also tat er es.“
Absolute Leseempfehlung für alle, denen „hardboiled“ nicht hart genug ist. Denn „Unter Feinden“ ist für die deutsche Kriminalliteratur das, was „The Wire“ für die US-Polizei-TV-Serien war.
Georg M. Oswald
Unter Feinden
Piper Verlag
256 Seiten, 18,99 Euro
ISBN: 9783492053839