Ein düsterer, ruppiger, ungewöhnlicher und manchmal brutaler Film. Sehr sehenswert finden die meisten der Üblichen Verdächtigen. Im Podcast reden sie über Entwicklung und Verlust, Moral und Familie, über den vulkanischen Wissenschaftsrat, nicht gemachte Fehler, die Coen-Brüder und Brutalität:
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Exkurs: Zeitreisen
Zeitreisen sind die Pest, davon kriegen auch entschiedene Freunde des gepflegten Science-Fiction in der Regel eine böse Migräne. Zugegeben: Es ergeben sich aus der Zeitreise-Idee sehr viele spannende Möglichkeiten – zum Beispiel seinem eigenen früheren oder späteren Ich zu begegnen oder den Lauf der Geschichte zu verändern. Aber wie wirken sich Zeitreisen aus? Kleine und große Veränderungen beeinflussen sofort den Lauf der Dinge und damit die Zukunft. Oder entstehen sofort neue Parallelwelten? Und was hat es mit den geschlossenen Zeitschleifen auf sich, wenn der Zeitreisende sein eigener Vater wird? Ich sag’s ja: Migräne. Oder wie Jeff Daniels Figur Abe im Film sagt: „Timetravel shit fries your brain like an egg.“ Andererseits – ohne Zeitreisen kein Doctor Who, Planet der Affen, Time Bandits, Terminator, Zurück in die Zukunft, Twelve Monkeys und kein Donnie Darko. Wär auch schade.
Fremder
In „Looper“ sind Zeitreisen allerdings nur ein magisches Element in einer ansonsten sehr stimmigen Geschichte. Ein magisches Element, damit ein junger Mann und er selbst als alter Mann mit gegensätzlichen Lebensentwürfen aufeinander prallen können. Joe Simmons arbeitet als Killer – und zwar in einer ebenso geheimen wie ungewöhnlichen Variante seines Berufs: Seine Opfer werden aus der Zukunft zu ihm geschickt, er tötet und entsorgt sie. Er ist jung, hart, ehrgeizig, spart das meiste Silber an, dass er verdient. 30 Jahre später hat sich sein Leben und sein Blick auf die Welt verändert – durch eine Frau. Geschickt zeigt der Film, dass die beiden Männer Fremde sind und bleiben werden. Und wer alt genug ist, um 30 Jahre oder mehr zurück zu blicken, wird sich darüber vielleicht schon einmal klar geworden sein: Das eigene Ich aus der Vergangenheit ist einem fremd – eine Person, die unverständliche Entscheidungen trifft über Klamotten, Beziehungen und Jobs.
Glück
Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson setzt in „Looper“ nicht auf den Helden oder den Auserwählten. Er interessiert sich für die Getriebenen, die in einer düsteren Welt, die unserer erschreckend ähnlich ist, überleben wollen, die (zum Teil erbittert) kämpfen um ihr bisschen Glück. Und der Konflikt, der „Looper“ antreibt, ist schließlich, dass ein Mann in seiner Vergangenheit und in seiner Zukunft völlig andere Vorstellungen davon hat, was Glück für ihn bedeutet. Und daraus macht Johnson eine Dramaturgie, die für zwei Stunden Kino genau zwei Sekunden Heldenmut braucht. Das reicht ihm.
Dunkelheit
Auf billige Effekte verzichtet Johnson, sowohl in der Handlung als auch in Actionsequenzen. Auch da, wo es bummt und kracht, kommt „Looper“ ohne großen Schnickschnack aus. Aber es gelingt ihm (ähnlich wie bei „Drive“) etwas Besonderes: Dass Gewalt und Brutalität kaum sichtbar wird, aber dem Zuschauer dennoch deutlich vor Augen geführt wird und unter die Haut geht. Was macht „Looper“ also aus? Antihelden, Liebe, Gier, Leidenschaften, Großstadtlabyrinth und Pessimismus. Wechsel der Zeitebenen, starke Lichtkontraste, und Voice over … Da muss man kein Filmwissenschaftler sein, um die Bausteine des Film noir wieder zu erkennen. Johnson liefert einen SF-Noir ab und ist damit bei mir in einer Schublade gelandet mit Blade Runner und Twelve Monkeys. Das reicht mir für zehn von zehn Punkten.
P.S. Sein Debütfilm „Brick“ (2005) ist gerade per Post eingetroffen, ebenfalls mit Joseph Gordon-Levitt, soll auch ein film noir sein. Dafür gab es den Sonderpreis beim Sundance Filmfestival und den Publkumspreis des Fantasy Filmfests. Ich bin gespannt.
Text und Podcast stehen unter einer Creative Commons-Lizenz. Quelle: SchönerDenken
Looper
USA 2012, 118 Min., Drehbuch/Regie: Rian Johnson
Andere Meinungen
In seiner lesenswerten Kritik kann Carsten Baumgardt (filmstarts) seine Begeisterung nicht verhehlen:
Ein Fan ist auch Florian Breitsameter (SF-Fan.de):
Qualität vor Quantität, resümiert Christian Hoja (christiansfoyer):
Auch das alte SF-Schlachtross Torsten Dewi (Wortvogel) hebt die Daumen: