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Eine imaginäre phantastische Anthologie,
herausgegeben von Schöner Denken
Band 1: Science Fiction – Das Vorwort
I. Das Buch, dessen Vorwort Sie gerade lesen, hat den kleinen unwesentlichen Nachteil, daß es nicht existiert. Daß ich dieses Vorwort trotzdem schreibe, folgt weniger einem Versuch, in Stanislaw Lems Fußstapfen zu treten, der ja einige denkwürdige Vorworte und Rezensionen zu imaginären weltliterarischen Werken verfaßt hat. Es stellt vielmehr eine ganz persönlich formulierte Einladung in nichts anders als das Universum der menschlichen Phantasie dar.
Wie jedes literarische Genre, so kennt auch die Phantastik eine Vielzahl mehr oder weniger gut zusammengestellter Pflichtleselisten: DIES sind die wichtigsten Werke, JENES muß man gelesen haben, um überhaupt mitreden zu können, und DAS und DAS muß man natürlich auch kennen, weil es solche Bestseller waren. Zahlreichen Leseempfehlungen solcher Listen stimme ich durchaus zu, aber mit nicht wenigen dort immer wieder aufgeführten Titeln kann ich mich persönlich bis heute einfach nicht anfreunden. Das hat mich zu dem Schluß kommen lassen, daß ich und jeder andere Neugierige meiner eigenen Flugroute in diesem phantastischen, schillernden Leseuniversum folgen muß. Diese Anthologie ist demzufolge nichts anderes als eine ganz individuelle und daher vielleicht für manchen überraschende Auswahl der von mir hier und heute als am schönsten und hellsten empfundenen narrativen Sterne am Lesefirmament. Der Umstand, daß die Erzählungen nicht im Anhang zu diesem Vorwort zwischen zwei Buchdeckeln vorversammelt sind, soll Sie nicht von der Lektüre abhalten. Keiner der hier aufgeführten Orte ist unerreichbar…
II.
Meine selbstgesetzten Parameter für diese Auswahl lauteten: Wähle für nun 10 kürzere Texte (keine Romane), die für dich die fesselndsten, faszinierendsten, spannendsten, beunruhigendsten, wirklichsten phantastischen Geschichten darstellen und die zugleich etwas von dem repräsentieren, was du an phantastischen Geschichten liebst.
Meine ursprüngliche rasch notierte engere Spontanauswahl umfaßt gute zwei Dutzend Geschichten (vergessene Schätze noch gar nicht gerechnet), so daß ich problemlos mindestens einen weiteren fiktiven Band füllen können werde. Ich konzentriere mich für den ersten Band auf den Bereich der reinen Science Fiction und lasse Fantasy und andere Subgenres der Phantastik erst einmal außen vor. Danach überlasse ich erstmal den anderen Schönerdenkern das ergänzende Wort, denn es gibt unzweifelhaft mindestens genauso spannende alternative Flugrouten durch die unendlichen Weiten.
Es sind zumeist nicht die Geschichten, die ich für die wegweisendsten Erzählungen der SF halte (denn das wäre eine andere Anthologie). Es sind die für mich wichtigsten Geschichten: es sind Erzählungen, die in mir auch beim Wieder- und Wiederlesen ein weises Gefühl des Erstaunens erwecken, einen Hunger stillen, von dem ich bis zur Lektüre nicht gewußt hatte, daß ich ihn verspürte.
III.
“The Golden Age of Science Fiction is 12? – dieses genreintern bekannte Bonmot trifft auf mich in vollem Maße zu. Tatsächlich begegnete ich ungefähr im Alter von zwölf Jahren den ersten reinrassigen SF-Geschichten, und ich war ein mehr als dankbarer Abnehmer, liebte die unendlichen Weiten, baute Raumschiffe aus Lego und verlor mich allabendlich zwischen den Sternen – mit gelegentlichen erzwungenen Zwischenlandungen, “denn der Junge muß doch mal was essen”.
Ich war ein recht glücklicher Raumfahrer. Zum einen war ich der Sohn zweier Eltern, für die Bücher nicht nur Staubfänger waren, und auch wenn meine Titelauswahl zuweilen Stirnrunzeln hervorrief, so durfte ich doch frei umherreisen zwischen den Taschenbuchseiten. Zum zweiten hatte ich das noch größere Glück, daß mir neben den Raketenheld-Jugendbüchern des Schneider Verlages und den in der örtlichen Tankstelle erworbenen Perry-Rhodan-Heften auch ambitioniertere und erinnerungswürdigere SF-Werke begegneten. Die verstand ich zwar noch kaum, aber sie fesselten mich in merkwürdiger Weise und reizten trotz aller offenen Fragen zum Immerwiederlesen. Einige von ihnen haben mich bis heute nicht losgelassen, und so entstanden lebenslange Freundschaften.
In den folgenden Beiträgen stelle ich Ihnen einige meiner Freunde vor, ganz nach den Worten des amerikanischen Dichters e.e. cummings:
… listen: there’s a hell of a good universe
next door – let’s go!
Dieses programmatische Vorwort stammt von Hendrik Schulthe. Die Kommentare zu den ausgewählten Geschichten – z.B. von Jack Vance, Robert Anson Heinlein, James Tiptree jr., Ursula Kroeber Le Guin und anderen – folgen als eigene Audiobeiträge.