Yasujiro Ozu: DIE REISE NACH TOKIO (Tokyo monogatari) #Japanuary2024

Der zweite Film, den wir für den Japanuary 2024 geschaut haben, ist Ozus DIE REISE NACH TOKIO. Ein kanonisierter Film, auch in Europa und in den USA hoch verehrt und DER typische Ozu-Film schlechthin: Die niedrige Kamera auf der Höhe eines sitzenden Beobachters, die langen, ruhigen Szenen, die unbewegte Kamera, die einfachen Sets und nicht zuletzt die Besetzung mit Chishu Ryu (Vater), Chieko Higashiyama (Mutter) und vor allem mit der charismatischen Setsuko Hara als Schwiegertochter und Witwe Noriko. Hier stehen die altgewordenen Eltern im Mittelpunkt: Sie besuchen ihre Kinder, die aber kaum Interesse an ihnen haben. Im boomenden Nachkriegs-Tokio ist kein Platz und keine Zeit für das alte Paar vom Land – nur die warmherzige Schwiegertochter Noriko ist wirklich gastfreundlich.

Wir werden Zeuge von Gesprächen voller Nichtigkeiten, um Konflikte und Wahrheiten nicht zur Sprache zu bringen. Erst Alkohol und Trauer bringen später die Gefühle an die Oberfläche: Die Schmerzen und Enttäuschungen eines ungelebten Lebens. Angedeutet werden die Veränderungen in der Gesellschaft und die Narben, die der Krieg in den Menschen hinterlassen hat. Die emotionale Reise erzählt Ozu in leisen Tönen und hat damit unsere ganze Aufmerksamkeit. Er verzichtet auf Irritationen, sein ebenso langsam wie behutsam inszenierter Film erscheint uns pur und makellos. Ein Film, dessen Handlung und dessen Figuren wir uns 80 Jahre nach seiner Entstehung verbunden fühlen. Am Mikrofon direkt nach dem Film: Hendrik, Tom und Thomas.


Folge 1260
Lucas und Thomas sprechen über Ozus DIE REISE NACH TOKIO
Länge: 20:41


Auf Ozu sind wir für den Japanuary übrigens gestoßen, weil ARTE rechtzeitig zum 120. Geburtstag des hochgelobten Regisseurs einige Filme im TV und in der ARTE-Mediathek gezeigt hat. Mit Lucas Barwenczik habe ich mir jüngst Ozus WEIZENHERBST angeschaut, bereits 2018 habe ich mit Michael Schleh über Ozus EQUINOX FLOWER gesprochen. In der Podcastepisode direkt nach dem Film erinnern wir uns an einen anderen Film, der Familie so intensiv in den Fokus nimmt: RACHEL GETTING MARRIED von Jonathan Demme.


Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken
Musik von Johannes Klan


Die Reise nach Tokio (Tokyo monogatari)
Japan 1953, 136 Min., Regie: Yasujiro Ozu


Der Trailer