MEGALOPOLIS: Stadt der (Alp-)Träume

Adam Driver in MEGALOPOLIS © 2024 Constantin

Adam Driver in MEGALOPOLIS © 2024 Constantin

Folge 1313 – Es ist ein schönes, eingängiges Narrativ: Ein alter Regisseur realisiert nach 30 Jahren endlich seinen großen Kino-Traum, verkauft dafür sein Hab und Gut, hört auf keinen Rat und keine Kritik und scheitert am Ende grandios. Ganz so einfach ist es aber nicht.

MEGALOPOLIS bietet eine großartige Darstellerriege auf, allen voran Adam Driver als Architekt und Visionär und Aubrey Plaza als leidenschaftliche Aufsteigerin. Die Themenbreite ist ehrfurchtgebietend: der Wunsch nach einer besseren Welt für alle, die Macht einzelner superreicher Banker, populistische Volkstribune, die die Menschen aufhetzen, Sex, Verführung, Dekadenz (der Circus!), Betrug und am wichtigsten: die Frage nach der Bedeutung der Kunst und Kultur. Das alles vor dem Hintergrund des klassischen Roms, transportiert in ein New York der nahen Zukunft. Das ist auf jeden Fall ambitioniert.

Die visuelle Umsetzung ist gelinde gesagt gewagt und gewöhnungsbedürftig. Einige merkwürdige Szenenbilder sehen aus, als hätte man kurzfristig improvisiert. Angesichts offenbar chaotischer Produktionsbedingungen und schwindendem Budget kein Wunder. Die Qualität der fast magischen Eröffnungsszene erreicht der Film in seiner ganzen Laufzeit kaum mehr. Gestelzte Dialoge und längere philosophische Zitate wechseln sich mit Shakespeare-Splittern ab. Am Ende ist es mehr Theater als Kino, mehr Fragment als Film, mehr Mosaik als immersives Erlebnis.

Im Podcast direkt nach dem Kino sind wir unterschiedlicher Meinung, von eher frustriert bis eher fasziniert und reden über angehaltene Zeit, den Gesang der Jungfrauen, über Visionen, Nazi-Symbole und über den Schlussakkord. Am Mikrofon: Johanna, Marc und Thomas.

Folge 1313
Unser erster Eindruck von MEGALOPOLIS
Länge: 18:01


Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken
Bild: © 2024 Constantin
Musik: Johannes Klan


Andere Meinung

Die rele­vanten und wort­rei­chen Dialoge haben allesamt die Männer, die Frauen bekommen Einzeiler oder dürfen ein Mark-Aurel-Zitat aufsagen: »Alles fließt.« Ansonsten kommt ihnen zu, sich ein Baby zu wünschen (Julia), sich als »Wall-Street-Slut« zu gebärden, wie Crassus einmal seine geldgeile Geliebte Wow Platinum, toller Name übrigens, beschimpft. Frauen sind bei Coppola entweder ehrwür­dige Mutter, junge Mutter oder Hure, und der größte Triumph ist, wenn der Stoff, den Catilina entworfen hat, die Frauen unsichtbar macht. Das ist üble Acht­zi­ger­jahre-Figu­ren­kon­zep­tion und wirkt im Bemühen stereo­typer Frau­en­bilder unan­ge­nehm reak­ti­onär. Hinzu kommt die faschis­toide Ästhetik mit Monu­men­tal­bauten, Symme­trien, über­bor­denden Szenen­bil­dern, starker Unter­sicht, »Brot und Spiele« und einem wörtlich genom­menen »Circus Maximus« mit Zirkus­di­rektor. Die Dekadenz ist opulent-verschwen­de­risch, das zukünf­tige Rom in honig­far­benem Hochglanz dem Tod geweiht. Der Insze­nie­rungs­wille ist deutlich und kann als solcher auch goutiert werden. Trotzdem: Weder der Visua­lität noch den alten Statt­hal­ter­ge­schichten mit dem Frau­en­dekor möchte man heute zujubeln.
Dunja Bialas für artechock.de


Megalopolis
USA 2024, 138 Min., Buch und Regie: Francis Ford Coppola


Trailer