HIGH LIFE: Astronauten am Abgrund

Jessie Ross in Claire Denis" HIGH LIFE @ A24 2018

Mia Goth in Claire Denis‘ HIGH LIFE @ A24 2018

Folge 1344 – HIGH LIFE ist ein Film, der mich beim Schauen (und beim Podcast direkt danach) überfordert und mich oft orientierungslos zurückgelassen hat. Claire Denis erzählt eine Geschichte, die auch in einem abgelegenen Krankenhaus oder auf einer Gefängnisinsel spielen könnte: Neun Strafgefangene werden zusammengesperrt, eine fanatische Ärztin versucht, aus dem Sperma und den Eizellen der anderen Insassen im Brutkasten ein Kind zu „erschaffen“. Nur ist das Gefängnis ein schuhschachtelförmiges Raumschiff, das auf ein Schwarzes Loch zutreibt. Ein optisch oft sprödes Kammerspiel um Fruchtbarkeit und Gewalt, Einsamkeit, Schuld und Elternschaft. Eher Theater als Science-Fiction, mehr Szenen als Handlung. Ohne das Etikett „Science-Fiction“ und der damit verbundenen Erwartung, hätte es HIGH LIFE bei mir leichter gehabt.

Denn es steckt viel in diesem schwer zugänglichen Film. Vielleicht ist das alles ein Traum und alle Liebe und Gewalt und alle Trauer und Exzesse sind nur Spiegel unseres eigenen Unterbewusstseins. Wir sehen, wie sich diese scheiternde, menschliche Gruppe ihrem Untergang (hier einem Schwarzen Loch) nähert. Und wir beobachten, wie sich die Schichten der Zivilisationen abschälen, bis nur noch als einzige unumstößliche Kraft im Universum übrig bleibt: die schützende Liebe eines Vaters für seine Tochter. Im Podcast direkt nach dem Film sprechen wir über bedrückende Gewaltausbrüche, über Robert Pattinson und Juliette Binoche, Low-Tech-Ausstattung und über fragmentarische Dramaturgie – und streiten etwas darüber wie wichtig die Ambitionen der Künstler:innen sind.

Wir haben HIGH LIFE gesehen auf Filmfriend, dem Streamingportal der öffentlichen Bibliotheken.


Folge 1344
Unser erster Eindruck direkt nach dem Kino von HIGH LIFE
Länge: 19:05


Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken
Bild: © 2018 A24
Musik: Johannes Klan


High Life
FRK 2018, 113 Min., Regie: Claire Denis


Andere Meinung

„Dabei haftet der Erzählung wie auch der Gesamtatmosphäre des Settings stets etwas Surreales, Verwirrendes an. Die Architektur des Raumschiffs bleibt bis zum Ende weitgehend unklar, die Beziehungen der verschiedenen Figuren erschließen sich nur teilweise. In unseren Versuchen, all dies zu durchdringen und zu verstehen, fühlen wir uns als Zuschauer_innen ein bisschen wie benebelt – genauso wie ein Großteil der Besatzung, dem die Bordärztin Dr. Dibs (Juliette Binoche) mit dem Trinkwasser Beruhigungsmittel verabreicht. Auch Claire Denis will uns ein bisschen betäuben. Sie vereitelt damit unsere Versuche, das Leinwandschauspiel logisch zu durchdringen zu dechiffrieren und zwingt uns dazu, ihm stattdessen mit allen Sinnen und Emotionen zu begegnen.“
Filmlöwin Sophie Charlotte Rieger

„Dennoch sind es nach all den zermürbenden Momenten, in denen misstrauische, fordernde und beängstigende Blicke vom goßen Unheil künden, die Schreie der ersten Minuten, die den Funken der Hoffnung entfachen, sodass er nicht einmal am einsamsten Ort des Universums vergessen werden kann. Dann konzentriert sich Claire Denis komplett auf ihre zutiefst poetischen wie berührenden Bilder und lässt ihre Figuren eins mit dem Weltraum werden, während die Dunkelheit und das Licht eine unwahrscheinliche Bindung eingehen. Plötzlich verschwimmt Robert Pattinsons vorsichtig illuminiertes Gesicht mit den Sternen und High Life wird zum Zeugnis der eingangs erwähnten Unendlichkeit. Nur wenige Bilder dürfte es dieses Jahr im Kino zu sehen geben, die das Wesen des Science-Fiction-Films so überwältigenden zusammenfassen.“
Matthias Hopf für Das Filmfeuilleton


Trailer