ORDET: Wehe, ihr Kleingläubigen! feat. Lucas Barwenczik

Folge 1099
Lucas und Thomas reden über Carl Theodor Dreyers ORDET und streiten über Gott, den Glauben und den Tod
Länge: 01:20:27


[podloveaudio src=“https://schoener-denken.de/podcast/1099_ordet.mp3″ duration=“01:20:27″ title=“Folge 1099 Lucas und Thomas reden über Carl Theodor Dreyers ORDET und streiten über Gott, den Glauben und den Tod“]


ORDET von Carl Theodor Dreyer ist ein Film, der seine Mittel sparsam einsetzt, um eine Geschichte zu erzählen vom richtigen und falschen Glauben, von der Güte des Herzens und der Macht des Glaubens. Die Familie Borgen hat einen großen Hof auf Jütland. Der älteste Sohn Johannes hat soviel Kierkegaard gelesen, bis er den Verstand verloren hat und sich jetzt für Jesus hält. Der mittlere Sohn Mikkel ist zu glücklich verheiratet um an Gott zu glauben und der jüngste Sohn Anders ist zu verliebt, um an Gott zu denken. Aber der Vater der Braut stammt aus einer anderen evangelischen Tradition als die Familie Borgen und ist gegen die Verbindung. Mikkels Frau Inger (großartig: Birgitte Federspiel) ist hochschwanger – lebensgefährliche Komplikationen drohen bei der Geburt des Kindes. Kommt es jetzt auf die Fähigkeiten des Arztes an oder doch auf Gottes Willen?

Als der nach außen schlicht und nüchtern wirkende Film einen großen religiösen Twist präsentiert, fliegt Thomas der Film um die Ohren. Lucas bleibt gefasst und weiß mit Marx, Heidegger und Adorno einen Weg heraus aus der cineastisch-religiösen Irritation. Es dauert etwas, bis sich die meisterhafte Kraft des Filmes entfaltet (Das Einwickeln mit Garn!) im letzten Drittel schließlich geht der Film dahin, wo noch nie ein Agnostiker zuvor gegangen ist und verursacht eine leidenschaftlich geführte Diskussion um die Macht des Kinos und des Glaubens. Extrem sehenswerter Film und – zumindest für geduldige Hörer und weihwasserfeste Fans – eine spannende Episode.


Über unseren Gast

Der Filmkritiker Lucas Barwenczik ist bekannt als Podcaster bei cuts und Kulturindustrie, er schreibt für kino-zeit.de, den Filmdienst, Filmstarts und auf Twitter ist er finden unter @kinomensch. Dass er alle Filme, die jemals gedreht worden sind, gesehen haben soll (zwei Mal!), ist natürlich nicht wahr – aber es fühlt sich so an 🙂 Seit wir 2017 gemeinsam im TEE Rheingold unterwegs waren, ist Lucas ein häufiger und besonders lieber Gast von SchönerDenken. Hier alle Episoden von SchönerDenken, bei denen Lucas zu Gast war – viele gemeinsame Episoden haben wir auf dem japanischen Filmfestival Nippon Connection in Frankfurt am Main aufgenommen.


Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken (Direkter Download der Episode über rechte Maustaste)
Musik von Johannes Klan

Ordet
DK 1955, 126 Min., Regie: Carl Theodor Dreyer


Der Trailer


Andere Meinungen

„Diese Komposition aus Form und Inhalt ist nicht weniger als ein Geniestreich und offenbart, dass die präsente Symbolik und das Verhandeln von göttlichen Fügungen, gar des Wesen Gottes, in der Bildgestaltung gespiegelt wurden. Das Wort schockt unsere Sehgewohnheiten, vermag danach jedoch mit seiner bestechenden Form zu begeistern – ein schwieriger Film, den es zu entdecken lohnt, in den der Zuschauer aber Arbeit stecken muss.“
Tom für Filmsucht.org

„In seiner Ästhetik erinnert das Drama an ein gefilmtes Theaterstück, doch die langsame Kamerabewegung bricht mit dieser Illusion. Auffällig ist, dass in Szenen mit mehreren Personen meist nur eine in Bewegung ist. So spielt der Regisseur mit der Aufmerksamkeit des Zuschauers und setzt gleichzeitig Schwerpunkte in der Erzählung. Die Darsteller schaffen es, mit sparsamer Gestik dem Geschehen Intensität und Authentizität zu verleihen. (…) Die Eindringlichkeit der Bilder, die Intensität der Gefühle und die meisterhafte Inszenierung der Gottsuche machen „Ordet“ zu einem Klassiker des europäischen Kinos.“
Tzveta Bozadjieva für Filmreporter.de

„Ordet ist ein schlichter Film. Fehlerlos in seiner filmischen Beschaffenheit erscheint er, jedoch auch rein naturalistischer Anlage und in seiner Darstellung von großer, nüchterner Sachlichkeit. Dass sich gerade auf dem Boden dieses völligen Naturalismus das Transzendente entwickeln, und mit seiner Wirkung über alle rationalen Wahrnehmungsgrenzen hinweggehen kann, war schon seit jeher das Wunder in vielen Meisterwerken der drei großen Filmemacher des „transzendenten Stils“, wie sie in Paul Schraders hoch einflussreichem Buch „Transcendental Style In Film: Ozu, Bresson, Dreyer“ definiert werden. Schrader geht hierbei davon aus, dass es zwischen diesen drei Filmemachern – alle drei stammen aus völlig verschiedenen kulturellen wie religiösen Verhältnissen – eine gemeinsame Filmsprache zum Ausdruck des Transzendenten, des Jenseitigen, ja sogar und vor allem des „Heiligen“ gibt.“
Janis El-Bira für filmzentrale.com

„Am Ende steht ein Film von monumentaler Größe, eigensinnig und wunderschön inszeniert, und mit dem radikalsten Ende, mit dem man in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhundert einen Film beschließen kann.“
Vannorden für The-Gaffer.de