DIE THEORIE VON ALLEM: Nicht von dieser Welt

Jan Bülow und Olivia Ross in DIE THEORIE VON ALLEM von Timm Kröger © 2023 Neue Visionen

Jan Bülow und Olivia Ross in DIE THEORIE VON ALLEM von Timm Kröger © 2023 Neue Visionen

Quantenphysiker auf der Suche nach der Weltformel, ein Kongress in einem abgeschiedenen Hotel hoch in den Alpen, radioaktiv verseuchte Tunnel tief in den Berg, rätselhafte Morde, eine noch rätselhaftere Frau … das ist deutscher Noir. Timm Kröger greift tief in den Werkzeugkoffer der 1940er Jahre: melodramatische Musik, kontrastreiches Schwarzweiss, dramatische Kameraeinstellungen – und verfehlt damit nicht seine Wirkung. Es dauert nicht allzu lange bis der Doktorand Johannes Leinert auf mysteriöse Doppelgänger trifft – und das passt zur Theorie seiner Doktorarbeit, die sein Doktorvater nicht akzeptiert: Dass es nicht nur ein Universum gibt. Der Film schwankt zwischen Thriller, Science-Fiction und psychologischem Anspruchskino, ist einerseits herausragend in Inszenierung und Kamera (die Gestaltung des Weltenübergangs!), andererseits laufen die Geheimdienstler auf wie Parodien aus einem Indiana-Jones-Film. Den Film zeichnet aber auch ein gewisser subtiler Humor aus, zum Beispiel, wenn als Film im Film die „teoria della tutto“ auf der Leinwand erscheint oder die Mondlandung kurz eine Rolle spielt. Im Podcast direkt nach dem Kino diskutiere ich mit Johanna über die manchmal fehlende Zugänglichkeit des Films, über die ansteigende Emotionalität und die mutige Entscheidung, Prolog und Epilog „außerhalb des Films“ zu gestalten.


Folge 1255
Unser erster Eindruck von DIE THEORIE VON ALLEM
Länge: 13:25


Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken
Bild: © 2023 Neue Visionen
Musik: Johannes Klan


Die Theorie von Allem
D 2023, 118 Min., Regie: Timm Kröger


Der Regisseur Timm Kröger im Interview mit Blickpunkt:Film über DIE THEORIE VON ALLEM

„Der Ansatz ist insgesamt amerikanischer, vermischt mit den Echos anderen Genres wie dem deutschen Berg- oder Kriminalfilm. Ich nenne es ein Amalgam von Filmtradition, die nur halb erinnert und verarbeitet wurde und nun als kulturelles Gepäck über einen hereinstürzt wie eine Lawine. Man weiß als Zuschauer nie: Meint der Film das ernst? Wie meint er das? Die Doppelbödigkeit war für mich der erzählerische Reiz und sozusagen der Kern des Films. Er funktioniert auf eine sehr altmodische Art fast postmodern, auch durch seine bewusst an Bernard Herrmann und seinen französischen Kollegen angelehnte Filmmusik. Das alles macht etwas mit der Wahrnehmung: Man sieht einen Film von heute, der ostentativ so daherkommt, als wäre er von früher – ich will damit aber keine Art Videotheksnostalgie evozieren oder ein cinephiles Ratespiel, sondern einen Film, der aus der Vergangenheit mit der Gegenwart spricht und mit kollektiven Erinnerungen spielt.“


Trailer