20.000 ARTEN VON BIENEN: Was keinen Namen hat, existiert nicht

Patricia Lopez Arnaiz und Sofia Otero in 20.000 ARTEN VON BIENEN © 2023 Gariza Films, Inicia Films

Patricia Lopez Arnaiz und Sofia Otero in 20.000 ARTEN VON BIENEN © 2023 Gariza Films, Inicia Films

Warum bin ich so? Das fragt sich ein achtjähriges Kind. Alle behandeln das Kind als Jungen, so ist es auch geboren worden. Aber das Kind weiß, dass es kein Junge ist und versucht sich über sich selbst klar zu werden und seinen Platz in der Welt zu finden. Irgendwann gibt sie sich selbst einen Namen: Lucia. Und das ist ein Akt der Befreiung, der Emanzipation, der Selbstvergewisserung. Diese komplexe Coming of Age-Geschichte ist in einen sozialrealistischen Film eingebettet: Rund um Lucia gibt es einen Bruder, gibt es eine Mutter, deren Ehe vor dem Aus steht und die als Künstlerin einen Neustart versucht, eine Großmutter mit schwieriger Vergangenheit, eine Tante, die bei ihren Bienenstöcken Lucia einen sicheren Ort bietet.

Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren erzählt in ihrem beeindruckenden Debütfilm die Entwicklung von Lucia mit Geduld (die auch der Zuschauer mitbringen sollte) in vielen Dialogen. Berührend sind die Momente, wenn ein anderes Mädchen Lucia als Freundin akzeptiert – auch wenn sie weiß, dass Lucia biologisch ein Junge ist. Beeindruckend wie die Mutter zwischen allen Konflikten nicht für einen Augenblick von der unbedingten Liebe zu ihren Kindern abweicht. Großartig sind die Bilder, zum Beispiel wenn der Blick von den Bienenkörben über das Tal geht. Im Podcast reden wir über die herausragende Kinderdarstellerin Sofia Otero, über das schnell gesprochene Spanisch und Baskisch (ist alles in den Untertiteln wirklich übersetzt worden?), Thomas verwechselt die Großmutter und die Tante und vergleicht den Film mit STILL THE WATER. Direkt nach dem Kino am Mikrofon: Johanna und Thomas.


Folge 1223
Unser erster Eindruck von 20.000 ARTEN VON BIENEN
Länge: 12:40


Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken
Bild: © 2023
Gariza Films, Inicia Films
Musik: Johannes Klan


20.000 Arten von Bienen (20.000 especies de abejas)
ESP 2023, 125 Min., Regie: Estibaliz Urresola Solaguren


Andere Meinungen

Zitat aus einem Interview mit der Regisseurin Urresola Solaguren:
„Die Familien, die ich interviewte, erzählten, dass die eigentliche Verwandlung nicht bei Jungen oder Mädchen stattfindet. Was sich veränderte, war die Sehweise und die Wahrnehmung der Anderen. Genau das wollte ich zeigen: Wie das unschuldigste und am wenigsten bedrohliche Wesen in der Familie diese Revolution auslöst, die ihr zu wachsen hilft. Auch dabei hilft, andere scheinbar sichere Positionen im Leben neu zu denken, über die Erziehung und die Entwicklung dieses Mädchens hinaus. Beispielsweise für Ane, die Mutter. Während dieser Reise im Sommer begreift sie so viel über ihre eigene Mutter, den Vater, und wie deren Blick auch ihr eigenes Leben beeinflusst hat. Sie denkt auch über den Zusammenhang von beruflichem und künstlerischem Ehrgeiz und Mutterschaft nach. Ich wollte in diesem Lernprozess auch Frauen unterschiedlicher Generationen zusammenbringen: das Mädchen, die Mutter, die Großmutter und ihre Schwester, die Imkerin. Das sind zwei sehr verschiedene Gesichter dieses Baskenlandes, die beide früher durch das Etikett „Frau“ festgelegt oder unterdrückt wurden. Dieses Kind Aitor/Coco/Lucia, das reklamiert ein Mädchen zu sein, gab mir die Möglichkeit darüber nachzudenken, was Frausein heute bedeutet. Auch die Protagonistinnen im Film hinterfragen, was es bedeutet, Frau zu sein. Und am Ende wird deutlich, dass es die eine Frau nicht gibt. Es gibt tausende Arten von Frauen, so wie es tausende Arten von Bienen auf der Welt gibt.“
Wolfgang Hamdorf für filmdienst.de


Trailer