BORN IN FLAMES: Riot-Girls nach der Revolution

Frauen sind immer noch das benachteiligte, oft sogar unterdrückte Geschlecht. Würde eine linke Revolution, eine linke Politik daran etwas ändern? Diese Frage wollte Lizzie Borden vor 40 Jahren mit BORN IN FLAMES beantworten. Der Film ist ein Punk-Science-Fiction, genauer eine Near Future-Dystopie: BORN IN FLAMES zeigt die USA, zehn Jahre nach einer linken Machtübernahme. Für die Frauen hat sich kaum etwas verbessert, immer noch werden sie mit der Bedrohung durch Vergewaltigung, mit Care-Arbeit und den Kindern alleine gelassen. Wenn sie einen Job haben, werden sie von den Männern als Konkurrenz abgelehnt. Und wenn die Frauen protestieren, verlieren sie ihre Job.

Lizzie Borden zeigt in ihrer rauhen, körnigen Mockumentary, eine Frauen-Armee, die überlegt, ob sie zu den Waffen greifen soll. Erzählt wird in Bruchstücken, unter anderem mit Ausschnitten aus den TV-Nachrichten, die offenbar von „der Partei“ kontrolliert werden und in mitreißenden Moderationen von feministischen Piratenradios. BORN IN FLAMES ist kraftvoll und rauh, redet Klartext und stellt die Kernfrage zur Debatte: Mit welchen Mitteln kann die notwendige Änderung der Verhältnisse herbeigeführt werden? Kluger, eigensinniger, ruppiger und sehr sehenswerter Film. Im Podcast reden wir über den fünfjährigen Entstehungsprozess, die guerilla-artige Umsetzung, über Universalismus, die RAF, Penisse und Putenfleisch, Kathryn Bigelow und vor allem über die Frage: Wie geht es nach der Revolution weiter?

Zitate aus dem feministischen Untergrundradio:

Honey: „We are the children of the light and we will continue to fight. Not against the flesh and blood; but, against the system that names itself falsely. For we have stood on the promises far too long now. That we can all be equal – under the cover of a social democracy. Where the rich get richer and the poor just wade in their dreams.“

Isabel: „Good morning. This is Isabel broadcasting from the new Phoenix Regazza Radio station. We are all, women and men, the prophets of this new age. And for those of us who would be safer in the sensibilities of racism, seperatism and martyrdom: if you can’t help us towards building this living church, then step out of the way. The scope and capabilities of human love are as wide and encompassing as this vast universe that we all swirl in. One for all, and all for one-ness. This fight will not end in terrorism and violence. It will not end in a nuclear holocaust. It begins in the celebration of the rites of alchemy. The transformation of shit into gold. The illumination of dark chaotic night into light. This is the time of sweet, sweet change for us all. This is Isabel from Phoenix Regazza Radio, signing off until tomorrow.“


Folge 1204
Lucas und Thomas sehen, was nach der Revolution kommt: BORN IN FLAMES
Länge: 01:02:21


Shownotes

00:00:00 Begrüßung
00:00:37 Warum BORN IN FLAMES?
00:02:29 Lucas hat eine Rechnung offen
00:03:38 Von der Schwierigkeit Lizzie Borden zu finden
00:05:23 Die Story
00:08:35 Die Entstehung
00:11:18 Form und Textur
00:18:21 Die Situation der Frauen in der Gegenwart
00:20:34 Ideologische Einordnung
00:26:12 Die Partei
00:28:12 Gewalt als Mittel der Veränderung
00:32:53 Kontrolle über die Narrative in den Medien
00:36:51 Penis und Pute: Die Montagetechnik
00:38:41 Die Wahl der Mittel zur Veränderung
00:40:56 Rezeption bei Erscheinen
00:45:03 Nach der Revolution
00:47:59 Das Ende der Aufklärung
00:50:35 Das Schlussbild
00:51:46 Lizzie Bordens Karriere
00:52:14 Rehabilitation von Vergewaltigern?
00:53:10 Revolutionen sind reaktionär
00:55:46 Die gleichen Probleme 1983 wie 2023
00:56:47 Inland Empire
00:58:15 Über Lucas und Longtake
00:59:29 Über SchönerDenken (und PETERLOO)
01:02:21 Ende


Über unseren Gast

Der Filmkritiker Lucas Barwenczik ist bekannt als Podcaster bei cuts und Kulturindustrie, er schreibt für kino-zeit.de, den Filmdienst, Filmstarts und auf Twitter ist er zu finden unter @kinomensch. Dass er alle Filme, die jemals gedreht worden sind, gesehen haben soll (zwei Mal!), ist natürlich nicht wahr – aber es fühlt sich so an 🙂 Seit wir 2017 gemeinsam im TEE Rheingold unterwegs waren, ist Lucas ein häufiger und besonders lieber Gast von SchönerDenken. Hier alle Episoden von SchönerDenken, bei denen Lucas zu Gast war – viele gemeinsame Episoden haben wir auf dem japanischen Filmfestival Nippon Connection in Frankfurt am Main aufgenommen.


Diese Folge ist ein CrossCast und auch bei Longtake zu hören.


Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken (Direkter Download der Episode über rechte Maustaste)
Jingle-Musik von Johannes Klan


Born in Flames
USA 1983, 79 Min., Regie: Lizzie Borden


Der Trailer


Andere Meinung

„BORN IN FLAMES (1983) ist ein Mythos des feministischen Kinos. Inszeniert von Lizzie Borden, die später mit dem Prostitutionsdrama WORKING GIRLS (1985) auf sich aufmerksam machte, bedient sich der Film einer wilden Mischung aus semidokumentarischen Videobildern, körnigem 16mm-Material und spontan gefilmten Konzertauftritten. Irgendwie ist BORN INF FLAMES auch ein Spielfilm, aber zugegeben: ein sehr bizarrer.“
Marcus Stiglegger für ikonenmagazin.de

„Born in Flames ist also eine emanzipatorische Fake-Historie, in der die Aufbruchstimmung der 1970er Jahre tatsächlich in eine linke gesellschaftliche Transformation geführt hat und nicht in einer neoliberalen Konterrevolution erstickt wurde (Thatcher + Reagan + „New Labour“ + etc.). Mit ihrem Film beschwörte Borden bereits vor 40 Jahren jenes Gespenst, das den Kulturtheoretiker Mark Fisher in seinem letzten Text Acid Communism (2017) umtreiben wird: die Heimsuchung der ausgebliebenen Befreiung.“
Simon Stockinger für kino-zeit.de