BABYLON – IM RAUSCH DER EKSTASE: Die Anspruchsarschbombe von Hollywood

Margot Robbie als Nellie LeRoy in Damien Chazelles BABYLON © 2022 Paramount Pictures

Margot Robbie als Nellie LeRoy in Damien Chazelles BABYLON © 2022 Paramount Pictures


Niemand ist so verrückt, einen Film über die Magie des Films zu machen, wenn der Film selbst keinen Hauch Magie verströmt. Niemand würde sich selbst so überschätzen, einen Kinofilm zu drehen mit dem Anspruch jetzt das allerletzte, finale, letztgültige Schlusswort zum Thema Kino zu verkünden. Dieser Niemand ist Damien Chazelle. Es ist aufregend, Chazelle zuzuschauen, wie sein Film an den Ambitionen seines Regisseurs zerbricht.

Worum geht? Zwischen großen Parties, die mit viel zu vielen und daher wirkungslosen nackten Brüsten und wackelnden Popos bevölkert sind, gibt es eine unaufgeräumte Handlung um vier Protagonisten: einen Stummfilmstar a la Douglas Fairbank, der am Tonfilm scheitert, eine junge, wilde, drogensüchtige Schauspielerin, die an sich sich selbst scheitert, einen begnadeten farbigen Trompeter, der nicht schwarz genug ist und einen mexikanischen Tausendsassa, der sich in die falsche Frau verliebt.

Statt den Zwischentönen dieser interessanten Figuren Raum zu geben, werden sie immer wieder von großem Getöse und Massenszenen zur Seite geschoben, wie die zarte Annäherung zweier Frauen, die von einem Riesenrüpel mit dem Schrei „Arschbombe“ rüde auseinandergedrängt werden. Immer, wenn die Geschichte zart und besonders wird, lässt jemand die Hose herunter, springt Margot Robbie hysterisch und mehr oder weniger nackt durchs Bild oder es wird mit einer Schlange gekämpt oder mit einem Alligator oder jemand kotzt literweise dem Gastgeber eines eleganten Empfangs ins Gesicht.

Es ist schade um wunderbare, einzelne Szenen, um witzige Einfälle, um Küsse vor dem Sonnenuntergang. Diese Glanzlichter verblassen auch zwischen den Dialogen, in denen voller Pathos aber ohne Sinn über den Zauber des Kinos geraunt wird. Eher ein Film für Hollywood als ein Film über Hollywood. Im Podcast direkt nach dem mehr als drei Stunden langen Film reden wir über gelungene und misslungene Elemente, über Spaß, Irritation und Frustration im Zuschauerraum, über Musik, die (findet zumindest Thomas) leider genauso einfallslos und melancholisch-monoton ist wie in LA LA LAND, über die Notdurft eines Elefanten und Schuhcreme. Am Mikrofon vor dem Kino spät in der Nacht: Bettina, Uwe, Hendrik, Tom und Thomas.


Folge 1182
Unser erster Eindruck von BABYLON direkt nach dem Kino
Länge: 14:09


Download der Episode auch über den Feed


Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken
Bild: © 2022 Paramount Pictures
Musik: Johannes Klan


Babylon
USA 2022, 188 Min., Buch und Regie: Damien Chazelle


Andere Meinungen

„Neben der Sause aus Schweinerein schwankt Babylon eben auch immer wieder zu den großen, vielsagenden Dialogszenen, die bei den Oscars eingespielt werden könnten, und möchte gerne tiefschürfende Erkenntnisse künstlerisch wertvoll präsentieren. Zeitweise wird er zum transgressiven Horror- (Tobey Maguire!) oder Essayfilm. Kein Versuch wird unterlassen, noch mehr Genres und Möglichkeiten des Mediums Films von gestern und heute zu integrieren – ohne es mit der damaligen Filmsprache allzu genau zu nehmen. Oder anders: Immer und immer wieder möchte Chazelle Avatar (2009) und Persona (1966) aufeinander folgen lassen. Denn am Ende ist Babylon nicht nur ein Film über einen Zeitenwandel und einen Sündenfall, sondern ein schrecklich überbordender über die Schönheit von Filmen.“
Robert Wagner für critic.de

„Problematisch ist jedoch vor allem das letzte Drittel, wenn Chazelle die Ereignisse auf nicht nachvollziehbare Weise eskalieren lässt. Er bewegt sich auch weg von dem Thema Hollywood, wenn es auf einmal um ganz andere Figuren und andere Formen der Unterhaltung geht. Ebenso unverständlich ist der harte Schlenker zum Schluss, der in einer Sequenz endet, die nicht auf dem zuvor Gezeigten aufbaut. Auch wenn die darin enthaltene Montage auf ihre Weise sehenswert ist, wirkt sie doch wie aus einem anderen Film – wörtlich und im übertragenen Sinn.“
Oliver Armknecht für Filmrezensionen.de

„Was der ganze Wirbel soll, bleibt unerfindlich. Ein Kessel Buntes – Hauptsache, es wirkt so aufgepumpt und überwältigend wie die Filmmusik. Dem zeitgenössischen Modetanz Charleston trauten die Macher offenbar nicht den nötigen Wumms zu; also dominiert eine Art Marching-Band-Techno die Tonspur. So bleiben vor allem die beiden monumentalen Massenszenen am Anfang in Erinnerung, bei denen sich Regisseur Chazelle als Meister des Timings und der grimmigen Komik erweist. Sowie die Funken sprühenden Auftritte von Margot Robbie, die diesen ansonsten arglosen und affirmativen Film aber auch nicht vor der Belanglosigkeit retten kann.“
Eric Mandel für kunstundfilm.de


Trailer