DUNE: PART TWO – Der Hamlet der Wüste

Timothee Chamelet als Paul Atreides und Zendaya als in Denis Villeneuves DUNE: PART TWO © 2024 Warner Bros. Entertainment GmbH

Timothee Chamelet als Paul Atreides und Zendaya als Chani in Denis Villeneuves DUNE: PART TWO © 2024 Warner Bros. Entertainment GmbH

Eine gute Entscheidung, dass Villeneuve wieder an Originalschauplätzen gedreht hat – was erst einmal wie eine mittelgute Pointe klingt, beschreibt die visuelle Qualität von DUNE und noch mehr von DUNE: PART TWO sehr gut. Der Film vermittelt tatsächlich den Eindruck, als hätte sich Villeneuve einfach gegen CGI entschieden, wäre nach Arrakis geflogen und hätte die Fremen überredet auf dem Wüstenplaneten vor die Kamera zu treten. Das bedeutet für mich als Zuschauer eine enorm immersive Illusion. Vergleichbar ist das – wenn überhaupt – nur mit der visuellen Dimension des ersten LORD OF THE RINGS von Peter Jackson im Fantasy-Genre und lässt alle anderen SF-Epen in dieser Hinsicht weit hinter sich.


Folge 1269
Die Üblichen Verdächtigen mit ihrem ersten Eindruck von
DUNE PART TWO
Länge: 13:02


Frank Herberts Roman lässt sich durchaus missverstehen als Verherrlichung eines Feudalsystems und als Heldenkult – oberflächlich lässt sich Paul Atreides als White Saviour lesen, der kommt, um das religiös manipulierbare Wüstenvolk der Fremen zu befreien. Herberts kritische Ansätze über religiösen Fundamentalismus, Manipulation, Naturzerstörung, Ausbeutung, Faschismus und den rücksichtslosen Kampf der Eliten um wichtige Ressourcen, werden in der spannenden Handlung schnell überlesen. Villeneuve bemüht sich diese Kritik sichtbar zu machen: Paul spricht es mehrfach direkt an, dass es ihm als Außenweltler nicht zusteht, die Fremen zu führen. Und er weigert sich lange, seine Rolle in der politisch-religiösen Intrige der Bene Gesserit zu spielen.

Villeneuve macht auch deutlich, dass der religiöse Fundamentalismus der Fremen das Ergebnis einer Manipulation durch eine Elite ist, der Film demaskiert Religion als Machtwerkzeug. Ein absoluter Gänsehaut-Moment, als Paul Atreides die Messiasrolle annimmt, um sie zu seinen Bedingungen auszufüllen. Während ich beim ersten DUNE noch mit Timothee Chamelet als Paul Atreides gefremdelt hatte (zu viel Kyle MacLachlan abgespeichert), hat er mich dieses Mal überzeugt als schlaksiger Königssohn, der zu früh und gegen seinen Willen erst in die Rolle des Herzogs, dann in die Rolle des Messias gedrängt wird – ein Hamlet der Wüste.

Villeneuves DUNE: PART TWO ist auch ein Science-Fiction der starken und vor allem klugen Frauen: Die Bene Gesserit, die die toxisch-maskulinen Männer am Nasenring durch ihre Jahrhunderte alte Agenda ziehen, Pauls Mutter, die als Reverend Mother die Kontrolle übernimmt, die scharfsinnige Tochter des Imperators und vor allem Pauls Lebensgefährtin Chani, die sich (anders als in der Romanvorlage) gegen Pauls Heiligen Krieg stellt. Am Ende dieses zweiten Teils sind die Protagonisten ambivalent (Achtung SPOILER!): Die Überlebenden des Hauses Atreides werden das ganze Universum in einen Krieg mit vielen Millionen Toten führen, die edlen Freiheitskämpfer werden fanatische Werkzeuge eines Heiligen Krieges … Ich hoffe sehr, dass Villeneuve irgendwann einen dritten Teil dreht (der sich dann um DUNE MESSIAH drehen würde).

Direkt nach dem Kino sind mitten in der Nacht vor dem Mikrofon: Johanna, Kathrin, Hendrik, Tom und Thomas. Wir diskutieren über Villeneuves Vertrauen in die Kraft seiner Bilder, ob das Epische ermüdet oder auch nicht, über Butlers Dschihad, Schauwerte und Bauchgrimmen, optischen Ekkletizismus, den visuellen Faschismus der Harkonnen, über abwesende Navigatoren und Christopher Walken als alter Imperator.

P.S. Ein Fundstück im Netz über die Special Effects bei DUNE: PART TWO: „Dune 2 VFX artist on why the visual effects were so much better than other recent blockbusters: Specificity of vision, The way the footage is captured and blocked, Creative choices on assets made early and consistently, Less execs meddling late in the process.“

P.P.S. Sehr sehenswert: Der Wissenschaftsjournalist Gert Scobel erklärt, welche Philosophien Frank Herbert in den DUNE-Romanen integriert hat.

Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken
Musik: Johannes Klan
Bild: © 2024 Warner Bros. Entertainment GmbH


Dune: Part Two
USA 2024, 166 Min., Regie: Denis Villeneuve


Meinungen

„Villeneuves Dune ist keine unbelebte Greenscreen-Wand oder ein gut gemachter LED-Backdrop, sondern eine anfassbare, plastische und belebte Welt, die den Wüstensand bis an die Sitzkante des Zuschauers trägt. Echte Drehorte und gebaute Sets sorgen für ein Gefühl der Immersion und erlauben es dem breiten Darstellerensemble, mit der Welt in Interaktion zu treten. Ein Resultat dieser haptischen Gegenwärtigkeit sind glaubwürdige, extrem körperliche Schauspielleistungen, die die Realität von Dune nicht theatralisch behaupten müssen, da sie im Habitus stets präsent ist (auch wenn hier abermals niemand wirklich schwitzt oder blutet).“
Kai Hornburg für Kino-Zeit.de

„Ville­neuve hat mit diesem Film ein weiteres ambi­tio­niertes, anre­gendes Stück Unter­hal­tungs­kino geschaffen, das mit großer Lust am verschlun­genen Erzählen und einem Gespür für die Sinn­lich­keit seiner über­bor­denden Bild- und Klang­welten begeis­tert. Seine Freude an prak­ti­schen Effekten, opulenten Kostümen, Requi­siten und Kulissen stellt sich einer von seelen­losen Digi­tal­welten domi­nierten Block­buster-Kultur ebenso in den Weg wie bereits der erste Dune-Film. (…) Was Ville­neuve vielmehr inter­es­siert, ist der Kipppunkt, an dem die Masse, die sich auf der Seite des Besseren wähnt, die Mittel der Feinde übernimmt. Sie gibt keine Ruhe, ehe sie die Vorherr­schaft über alles und jeden gesichert hat und damit ins Gren­zen­lose gewachsen ist. Dune: Part Two ist ein brutaler Anti­kriegs­film, eine Warnung vor dem aufzie­henden Faschismus, der nach Jahren der Krisen, Macht­ge­fälle und Ausbeu­tung einen Führer herbei­sehnt.“
Janick Nolting für Artechock.de

„Mit der Entwicklung des jungen Helden Paul zu der Version seiner selbst, vor der er sich bereits im ersten Teil zu fürchten begann, beweist Denis Villeneuve bewundernswerte Konsequenz: Indem er das Coming-of-Age seiner Identifikationsfigur als moralischen Niedergang erzählt, bürstet er die Blockbuster-Konventionen gegen den Strich. Es gibt keine Guten mehr in dieser Welt, nur noch gebrochene Gestalten.“
Patrick Seyboth für epd-Film


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