THE ORDINARIES: Die Welt hinter den Bildern

Fine Sendel als Paula und Jule Böw als ihre Mutter in Sophie Linnenbaums Film THE ORDINARIES © J.L. Walter, Szenenbild J. Lindner & M.-J. Schönborn, Kostümbild S. Peters © 2022 Bandenfilm

Fine Sendel als Paula und Jule Böw als ihre Mutter in Sophie Linnenbaums Film THE ORDINARIES © J.L. Walter, Szenenbild J. Lindner & M.-J. Schönborn, Kostümbild S. Peters © 2022 Bandenfilm

Paula lebt in der Filmwelt, zwischen Hauptrollen, Nebenrollen, Fehlbesetzungen, Jump-Cuts, Voice Over und Outtakes. Eine streng hierarchische Welt, in der die Hauptrollen an der Spitze der Pyramide leben – alles dreht sich um sie, ihre Herzen geben die Musik vor. Das will die 16-jährige Paula (Fine Sendel) als Tochter eines getöteten Hauptrollenvaters auch und steht als Schülerin an der Schule für Hauptfiguren kurz vor dem Abschluss. Aber es fehlt ihr etwas zum überzeugenden Durchbruch. Da sie aus den wenigen Sätzen ihrer Nebenrollenmutter nichts über ihren Vater erfahren kann, begibt sie sich auf die Suche nach ihm. Vielleicht ist er noch am Leben. Ihre Suche führt sie in die verbotene Unterwelt der geächteten Outtakes …

Regisseurin Sophie Linnenbaum spielt in ihrem Debüt ihre wunderbare Filmwelt großartig aus, so viele Ideen und Anspielungen, so viele verrückte, liebevolle Details, so viel Witz (die singende FDP-Familie mit „Emotionen! Emotionen!“). Und gleichzeitig ist THE ORDINARIES ein fast brutal schonungsloser Film über eine Klassengesellschaft, die einen Aufstieg verhindern will, ein tonnenschweres Sozialdrama über Armut und Privilegien, Ausgrenzung und den Traum davon, eine eigene Geschichte zu haben und selbst im Rampenlicht zu stehen. Dazu ein beeindruckendes Ensemble, besonders Fine Sendel als Paula und Jule Böwe als ihre Mutter sind herausragend. Das alles tritt uns in einer traumhaften Szenerie entgegen, die unglaublich atmosphärisch und einfallsreich ist. Ein unglaublich origineller, kluger, schöner, lustiger, unendlich trauriger Film. Vielleicht der beste deutsche Film seit VICTORIA, überlegt Hendrik nach dem Film und würde ihn am liebsten nochmal sehen. Im Saal gab es Applaus – auch von uns. Am Mikrofon direkt nach dem Film sehr euphorisch: Katharina, Kathrin, Hendrik und Thomas.


Folge 1199
Unser erster Eindruck von THE ORDINARIES
Länge: 12:57


WICHTIG: Wir haben THE ORDINARIES im Programmkino Capitol&Palatin in Mainz gesehen. Dem Programmkino Capitol&Palatin droht nach einem Gebäudekauf durch ein großes Immobilienunternehmen die Schließung. Mehr Informationen gibt es hier und hier. Eine Petition zum Erhalt dieses wichtigen Kinos gibt es hier. Bitte unterstützen! Wir haben in Capitol&Palatin sehr viele großartige Filme gesehen, sehr viele SchönerDenken-Episoden zu anspruchsvolleren Filmen sind vor diesem Programmkino aufgezeichnet worden. Dieses Kino ist die Grundlage der Kinokultur in Mainz: Das Programm ist hervorragend kuratiert – besondere Filme aus vielen unterschiedlichen Genres und Nationen, immer wieder auch in Originalsprache, dazu viele Veranstaltungen. Wir appellieren an die Verantwortlichen der Stadt Mainz, dieses Kino zu retten!


Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken
Bild: © J.L. Walter, Szenenbild J. Lindner & M.-J. Schönborn, Kostümbild S. Peters © Bandenfilm
Musik: Johannes Klan


THE ORDINARIES
D 2022, 120 Min., Regie: Sophie Linnenbaum


Andere Meinungen

„Aus einer fantastischen Ausgangsidee hat Regisseurin Sophie Linnenbaum einen fantastischen Film gemacht – ihr Langfilmdebüt und Filmhochschul-Abschluss: Figuren, die im Film sonst etwas bedeuten, bedeuten nun sich selbst, ihre Aufgabe: das Erzeugen von Film-Emotionen. Wir tauchen ein in die Traumfabrik – oder besser: mitten hinein ins Proto-Produkt der Traumfabrik, in den »Film an sich« mit »Filmfiguren an sich« — sozusagen ins platonische Reich der Kino-Idee selbst. Und was ist die Kino-Idee an sich? Eine Aufgabe, eine Queste, emotional, nämlich familiär aufgeladen, und so wird Paula auf ihre Heldinnenreise geschickt. Der Witz dabei: Diese Heldinnenreise selbst wird wiederum als Heldinnenreise gezeigt, eben von Filmfiguren als Filmfiguren, nicht als »wirkliche« Personen – ein Film hinter den Filmillusionen.“
Harald Mühlbeyer für kino-zeit.de

„Linnenbaum beschreibt ihren beherzt zwischen den Genres wechselnden Film selbst treffend als tragikomische Politsatire im Science-Fiction-Gewand. Dabei wandelt „The Ordinaries“ nicht nur mit Leichtigkeit zwischen Genres wie Coming-of-Age, Musical oder Politsatire, sondern bietet insbesondere für Filmfans eine Fülle an gewitzten Hommagen an die Filmgeschichte sowie Filmtechnik.“
Ulf Lepelmeier für Filmstarts

„Auch diesmal versteht es Hirokazu Kore-eda meisterlich, uns eine vertrackte Geschichte voller Widerhaken zu erzählen. Wir Zuschauer sind uns nie sicher, was als nächstes passiert. Mit faszinierender Eleganz und viel Humor zeigt uns der Regisseur ein skurriles Leben am Rande der Gesellschaft. Hektisch ist in den Filmen von Hirokazu Kore-eda nichts – Action-Szenen sind nicht sein Ding. Wer das akzeptiert, erwartet einen wunderbaren Film.“
Jan-Barra Hentschel für nochnfilm.de


Trailer